Angespielt – This War Of Mine

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(tl;dr)

This War of Mine war ein Überraschungserfolg auf dem Indie-Computerspielmarkt. Ähnlich wie im Bestseller die Sims kümmern wir uns um eine Gruppe Menschen, sehen dabei zu, wie sie im Haus arbeiten, durch die Gegend stromern, sich unterhalten, schlafen und so weiter… Nur ist das Szenario hier ein völlig anderes. Statt in einer niedlichen Vorstadt stecken wir mitten in einer von einem Bürgerkrieg verwüsteten Stadt voller Not und Elend, und wir sind auch nicht die „Helden“ der Geschichte, keine Generäle, Soldaten oder Freiheitskämpfer, einfach nur Menschen, die überleben wollen.

Dieser ungewöhnliche Ansatz, dieses dunkeldüstere, realistische Szenario, wurde nun in ein Brettspiel übersetzt, und äußerst erfolgreich auf Kickstarter finanziert. Ich meine, es ist inzwischen auch über Asmodee erhältlich.


Wie funktioniert das?

Wir erleben die Geschichte über einen Riesenhaufen verschiedener Kartenstapel und ein umfangreiches Storybook, in dem sich gut tausend kleinere Kapitel befinden, teils mit Abzweigungen , wie in den klassischen Abenteuerspielbüchern.

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Quelle: BGG

Zunächst ziehen wir drei Überlebende mit kleineren Sonderregeln. Wir teilen sie uns als Gruppe, denn TWoM ist ein reines Solospiel, der Mehrspielermodus ist nur drangetackert – der aktive Spieler wechselt hin und wieder, aber wir beraten uns ja eh, und alle wissen und machen dasselbe mit demselben Material. Schaffen wir es, wenigstens einen einzelnen Überlebenden durchs Spiel zu bringen, so haben wir gewonnen.

Tagsüber setzen wir unsere Figuren wie Arbeiter in einem Worker Placement ein, um unseren Unterschlupf aufzuräumen, nach nützlichen Dingen zu wühlen, Holz zu verheizen, zu kochen, Feldbetten, Waffen und nützliche Gegenstände zu zimmern…

Nachts können wir die Gruppe losschicken, um Orte in der Umgebung zu durchkämmen. Dazu präparieren wir dann ein gutes Dutzend Karten als Begegnungsstapel. Hier gibt es eine nette Zeit-Mechanik: Wenn etwas weiter weg oder aufwändiger ist, also länger dauert, müssen wir unbesehen Karten von diesem Stapel abwerfen. Was wir finden oder antreffen, erzählen uns dann die Karten und das Storybook.

Dazwischen gibt es noch eine Reihe fester Verwaltungsphasen, in denen wir die Überlebenden zum Beispiel mit Nahrung oder Wasser, Zigaretten oder Schnaps versorgen müssen, sonst werden sie hungrig, verzweifelt oder schwächer. Außerdem finden diverse Events statt, unser Unterschlupf wird überfallen, Straßenkinder betteln um Nahrung, und so weiter.

Fürs Kämpfen gibt es ein Würfelsystem wie in vielen Dungeon Crawlern, das erscheint aber schon fast absurd. Weder suchen wir den Kampf, noch hätten wir irgendeine Chance gegen bewaffnete Marodeure.


Wie finde ich das?

Fast alles, was uns passiert, ist negativ. Und selbst wenn wir mal was Schönes finden, das Spiel impliziert, dass wir es anderen Verzweifelten stehlen, und eigentlich die Finger davon lassen sollten.

Aber im Prinzip geht es immer nur bergab, alles geht vor die Hunde. Und wir sind dem Spiel dabei völlig ausgeliefert: Du gehst vor die Tür, würfelst einen Würfel, oh, ein Scharfschütze, eine Spielfigur tot. Schade auch. Du erkundest ein verlassenes Gebäude, oh, eine schlecht gelaunte Patroullie auf der ersten Karte, zack, zwei Überlebende tot. Zufälliges Ereignis, alles Essen wird schlecht, aber wir müssen Essen, wieder ein Überlebender weg. Unser Unterschlupf wird geplündert, alles weg, tot. Tot, tot, tot.

Nun gehört das zum Thema, man könnte gar sagen, das Thema ist hervorragend umgesetzt. Außerdem müssen kooperative Spiele natürlich höllisch schwer und bestrafend sein. Aber in TWoM gibt es überhaupt keinen Sonnenschein. In einem eskapistischen Szenario wie Eldritch Horror darf ich wenigstens hin und wieder ein Monster zurück in die Hölle schubsen, während gerade die Welt untergeht. Hier erwarten uns nur Tod, Gewalt, Verzweiflung, Hunger, Armut, Elend. Das einzig Positive ist, wenn mal unerwarteterweise nichts Schreckliches geschieht.

Auch mechanisch ist es anstrengend, das Spiel ist unglaublich fummelig, denn der Großteil des Spielgeschehens funktioniert über Querverweise: Ziehe eine Karte von Stapel x, wirf einen Würfel und lies dann eine Nummer auf Ort y, schlag das Storybook bei dieser Nummer auf, wirf noch einen Würfel, lies woanders im Storybook, dann zieh wieder eine Karte, dann bekommst du z, such die passenden Marker raus. Oft alles zusammen, einzelne Begegnungen können gerne mal aus 5+ Arbeitsschritten bestehen.

Ich verstehe, warum das so sein muss: Damit Geschichten passieren können, damit passende Gegenstände auftauchen, damit die Story in sich konsistent wirkt. Da ist eine Menge Liebe und Arbeit reingeflossen. Und vermutlich geht das gar nicht weniger umständlich. Aber was hilft das? Eine nervige Materialschlacht ist es trotzdem.

Ich verstehe auch nicht, warum keine Übersicht über die Spielphasen mitgeliefert wurde, zumindest im ersten Spiel wird man andauernd in der Anleitung rumblättern müssen. Ach ja, die Anleitung… Ähnlich einem Tutorial in einem Computerspiel sollen wir die parallel zum Spiel lesen, nach und nach verstehen wir, was wir zu tun haben, wozu das Material gut ist, was die Symbole bedeuten… Kann man machen, kann man aber auch lassen. Ich finde sowas eher lästig als hilfreich.


Möchte ich das nochmal spielen?

Nein. Auf keinen Fall. Das ist mir einfach zu frustrierend, thematisch wie mechanisch.

Und hätte ich das Gefühl, ich müsste unbedingt mal etwas völlig Depressives spielen, ich täte zum gleichnamigen Computerspiel greifen, dann spare ich mir wenigstens den Verwaltungsaufwand.

 

 

5 Gedanken zu “Angespielt – This War Of Mine

  1. So unterschiedlich können Geschmäcker sein.
    Es passieren natürlich fast nur negative Dinge, denn es handelt vom Krieg. Man versucht zu überleben, wie bei Robinson Crusoe, Arkham Horror oder Pandemie(Dort wird auch alles immer schlimmer). Man muss viele unterschiedliche Herausforderungen meistern. Dabei geht es nicht immer bergab, denn es gibt auch stetig Erfolgserlebnisse, wenn man etwas wertvolles findet, einer Gruppe von hungernden Menschen hilft und dafür belohnt wird, eine Konstuktion wie den Ofen baut und es schaft die Kälte aus dem Unterschlupf zu verbannen, usw…

    Da der Mangel so groß ist, freut man sich um so mehr über solche Erfolge und das macht den Reiz aus. Wäre alles Sommer, Sonne, Sonnenschein, wäre es ja langweilig.
    Das Würfel und Kartenglück spielen natürlich eine große Rolle, aber das war auch bei Robinson Crusoe und Arkham Horror so, und diese Spiele sind eingeschlagen und sind mittlerweile moderne Klassiker. Es geht vielmehr um die Geschichte die man erlebt und je intensiver es dem Spiel gelingt, desto besser. Und diesem Spiel gelingt dies hervoragend.

    Mechanisch ist das Spiel nicht fummeliger als die Spiele, mit denen es vergleichbar ist. Da fand ich Arkham Horror schlimmer und unübersichtlicher. Hier kann ich es mit Robinson Crusoe vergleichen, wobei dort die Regeln schwer zu erlernen sind. Bei TWoM kann man sofort losspielen und alles Phasen sind klar gegliedert. Das mit den 5+ Arbeitsschritten kommt sehr selten vor ( bei ca. 20Std. Spielzeit 2-3 mal). Aus meiner Sicht zu wenig, da man dort noch tiefer in eine Story abtaucht und das Erlebnis dadurch intensiver wird. Ansonsten zieht man meist eine Karte und findet etwas, trifft auf ein andere überlebende, oder man sucht sich den Weg aus bzw. durch ein Gebäude. Bei den Ereignissen kommt die Kälte ins Spiel und ein Ereigniss. Beim Schicksal wird am Ende der Runde geschaut, wie gut wir uns darauf vorbereitet haben.
    Dann zieht man 2 Erzählaktionen und behält eine, die durchweg positiv sind und sehr starke Effekte haben, wie z.B. ein nächtlichen Überfall komplett zu überspringen.
    Eine Übersicht der Spielphasen fehlt mir nicht unbedingt, da man sowieso das Tagebuch weitergibt, wo die Phasen beschrieben sind.

    Eine „normale Anleitung“ wäre unnötig gewesen, da man das Spiel sowieso durch das Turorial lernt und wenn man weitere Fragen zu einem Thema aus dem Tutorial hat, kann man es in den FAQs im Storybook nachlesen und muss nicht in einer dicken Anleitung rumblättern.

    Wie man sieht, sehe ich alles viel positiver. Denn man kann dieses Spiel nicht mit einem Spiel vergleichen wo es immer bergauf geht, wie bei Aufbauspielen oder Engine Building Spielen.
    Unter den Survival Spielen ist es für mich ein modernes und intensiveres Robinson Crusoe. Wer darauf steht oder auf Arkham bzw. Eldritch Horror oder auch Pandemie, wird dieses Spiel lieben.

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      • Da fehlt wohl ein Wort im letzten Satz. …, wird diese Spiel vermutlich lieben.😉 Wie gesagt, alles Geschmackssache und auch kommt es auf die Spielgruppe an. Beispielsweise wird ein Story-Telling Spiel mit nur stillen Grüblern vermutlich keinem Spaß machen.

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  2. Diese „stillen Grübler“ kaufen sich das Spiel aber vermutlich ohnehin nicht.

    Letztendlich gibt es bei Meinungen schlicht kein „richtig“ oder „falsch“:
    Du sagst, eine „normale Anleitung“ wäre unnötig, weil es das Tutorial gibt. Ich fand das Tutorial unnötig und hätte lieber eine normale Anleitung gehabt, in der dann aber auch alle Informationen zu finden sind.
    Du sagst, man braucht keine Übersicht, weil man das Tagebuch rumreichen kann. Imho gehört es sich, bei mehrphasigen Spielen Übersichtsblätter mitzuliefern (die kann man auch rumreichen, wenn es sein muss, aber man muss nicht darin herumblättern).
    Inwieweit man den Storybook-Teil mit seinen Querverweisen für „fummelig“ hält oder nicht, da hat jeder andere Grenzen. Für mich ist das „zwar irgendwie funktional, aber unpraktisch“: Das kann zum Beispiel eine App einfach besser, weil die das im Hintergrund erledigt und ich dann nicht Farbkarten usw. abhandeln muss.

    Ist völlig ok, dass du das alles anders siehst, es ist halt nur egal für mich. 😉

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    • Mein Kommentar ist auch nicht direkt an dich gerichtet bzw. soll dich nicht vom Gegenteil überzeugen. Es sollte nur eine andere Ansicht darstellen. Alles andere ist doch egal.😎

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