
Weil ich gelesen habe, dass nach der Spielemesse voll der Wettlauf zwischen den Blogs herrscht, haue ich direkt den nächsten Artikel raus. Bämm, Junge!
Beginnen wir eine neue Reihe, „Wenn Brettspiele Sex hätten“. Heute mit Ethnos, dem unehelichen Kind von Smallworld und Ticket to Ride.
Man verzeihe mir, dass ich im Folgenden viel zu oft das Unwort „Rasse“ verwende, aber wie der Titel schon sagt, in Ethnos geht es um verschiedene Fantasy-Dinger-Ethnien-Kategorien-Sorten… kurz: Rassen.
Wie funktioniert das?
Wir spielen drei große Runden, nach denen dann jeweils die Mehrheiten in den sechs Gebieten eines Fantasykontinents gewertet werden. Es geht also um area control, aber der Motor dahinter ist ein Kartenspiel, und zwar ein ziemlich pfiffiges. Wer an der Reihe ist, hat drei Möglichkeiten:
- Handkarten ausspielen: Die Karten haben jeweils eine Farbe und eine Rasse drauf. Ich darf gleiche Farben ausspielen, oder gleiche Rassen. Bei der gleichen Farbe lege ich die Rasse nach oben, deren Sonderregel ich haben will. Bei der gleichen Rasse wähle ich das Gebiet, das ich kontrollieren möchte. Und natürlich: mehr bringt mehr, ein Vierling ist besser als ein Pärchen.
- Eine Karte aus der offenen Auslage nehmen
- Eine Karte blind nachziehen
Der besondere Kniff ist, dass ich jedes mal, wenn ich ein Kartenset ausspielen möchte, alle anderen meiner Handkarten in die offene Auslage legen muss, und damit wieder meinen Mitspielern Steilvorlagen gebe.

Ich bin zu faul, alle Rassenregeln aufzulisten, ein paar Beispiele müssen genügen: Geflügelte dürfen in jedes Land, sie ignorieren die Kartenfarben. Orks spielen Bingo mit den Gebieten, sie wollen in möglichst viele verschiedene. Halblinge spielen gar nicht um die area control mit, dafür gibt es viele davon, es ist also einfacher, Vierlinge, Fünflinge oder gar Sechslinge anzusammeln. Und so weiter.
In die untere Hälfte des Nachziehstapels werden drei Drachen reingemischt, ein Durchgang endet sofort, wenn der dritte aufgedeckt wird. Wer dann noch Handkarten hält, hat schlicht Pech gehabt und steht in der folgenden Wertungsphase vermutlich schlechter da.
Wie spielt sich das?
Angenehm flott, auch mit einer größeren Spieleranzahl, weil die einzelnen Züge meist sehr kurz ausfallen (eine Karte nehmen). Zudem ist das Spiel recht übersichtlich, ich muss mir nicht lange Gedanken machen, wo ich hin möchte und was ich dort erreichen kann.
Weil es insgesamt zwölf verschiedene Fantasyvölkchen gibt, pro Partie aber nur sechs davon mitspielen, hat das Spiel potentiell eine Menge Widerspielwert. Es gibt ungefähr 900 Kombinationen (Binomialkoeffizient „12 über 6“) zu entdecken.
Ethnos ist natürlich stellenweise recht glücksabhängig: So ist es schon sehr ärgerlich, noch seine nächste Kartenkombination in den Fingern halten, wenn der dritte Drache auftaucht. Außerdem ist die offene Auslage oft leergefegt, und dann spielen wir nur noch „wer zieht am schnellsten blind eine Karte, die ihm einen gescheiten Spielzug ermöglicht?“. Aber das ist nicht wahnsinnig wichtig, denn wie gesagt, Ethnos ist ein recht flottes Spiel. Und je schneller eine Partie runtergespielt ist, desto glückslastiger darf sie für mich sein.
Bis hierhin ist Ethnos ein Spiel, das mir durchaus gefällt. Insbesondere finde ich es super, dass man relativ schmerzfrei den fünften oder gar den sechsten Stuhl besetzen kann, es gibt nicht allzu viele Titel in dieser Kategorie, die für größere Runden geeignet sind.
Aber dann wären da noch ein paar Punkte, die mich eher abschrecken.
- Thema: Das ist wirklich völlig subjektiv, aber mir ist das Fantasythema zu generisch. Ich habe auf BGG ein Retheme (Gangs of New York) gefunden, das würde ich zehnmal lieber haben. Eine „Diktatorenvariante“ fände ich auch ganz lustig. Alles, bloß nicht Elfen, Zwerge und Zauberer.
- Illustrationen: John Howe ist mit Sicherheit einer der bedeutendsten Illustratoren der Gegenwart, und auch hier sind seine Kunstwerke wirklich hübsch. Aber sie sind recht düster, wenn man sie nicht auf dem Bildschirm, sondern auf dem Spieltisch anschaut, und damit nur schwer auseinanderzuhalten. In so einem Spiel muss ich auf den ersten Blick sehen können, ob da ein Ork oder ein Skelett auf der Karte ist. Das ist hier nur bedingt der Fall.
- Material: Die Plastikmarker, mit denen wir unsere Spielfortschritte festhalten, gefallen mir überhaupt nicht. Sie wirken auf mich grell und billig, und passen so gar nicht zum restlichen Material. Schlichte, dezente Holzscheiben wären mir wesentlich lieber gewesen.
Kaufe ich das?
Ethnos ist ein tolles Spiel, was die Mechanik angeht. Es gefällt mir ausgesprochen gut.
Aber ich werde es, weil sich alle meine Kritikpunkte aufs äußerliche Erscheiungsbild beziehen, vermutlich eher mitspielen oder nachbauen, nicht selbst kaufen.