Um Karmapunkte für die letzte Review auszugleichen, heute mal ein Spiel, das ich liebe.
Dogs of War von Paolo Mori hat ein paar Jahre auf dem Buckel, und wie das heutzutage so ist, steht es nicht mehr wirklich auf den Ladentheken herum oder wird sonstwie besprochen. Aber man sieht es immer mal wieder auf Grabbeltischen für Preise zwischen 5 und 15 Euro. Die sind hier gut investiert.
Wie geht das?
Wir sind Söldnergeneräle à la Wallenstein, die ihre Feldherren und Soldaten in die Schlacht schicken. Unsere Auftraggeber sind sechs adelige Häuser, die sich über einige Jahre hinweg in unterschiedlichen Konstellationen auf die Mütze hauen wollen. Wir finden das gut, denn wie sagte es schon Brecht: Der Krieg ist nix als die Geschäfte, und statt mit Käse ist’s mit Blei.
Wir dürfen dabei unsere Feldherren über Worker Placement auf das Schlachtfeld setzen, wenn wir nur Soldaten mitschicken, die den Ausgang der Schlacht beeinflussen. Dafür werden wir mit Geld, mehr Truppen und „Aktien“ der Adelshäuser belohnt.
Aber! Sobald ich einen Feldherrn eingesetzt habe, biete ich auch eine Zielscheibe. Denn wenn eine Seite die Schlacht gewinnt, bekommen alle Sieger so viele Punkte, wie Feldherren auf der Verliererseite herumlungern.
Ich will also gleichzeitig kucken, auf möglichst lukrativen Feldern einzusetzen, aber auch auf der Gewinnerseite zu sein, und im Idealfall in einer sehr umkämpften Schlacht, damit das mehr Punkte bringt. Das war’s im Wesentlichen schon.
The Bad
Zu dritt ist nicht allzu viel los auf dem Brett, auch wenn es künstlich reduziert wird, also mit vier statt sechs Familien und nur zwei statt drei Schlachtfeldern gespielt wird. Und es kommt gerne zu „zwei gegen einen“ oder „wenn zwei sich streiten“ Situationen. Auch zu viert werden erstmal nicht genug Feldherrn hingestellt, und es kommt oft zu Group Think: Einer stellt eine Figur hin, ein anderer folgt ihm, dann noch einer, und am Ende stehen sechs Feldherrn auf einer Seite und keiner auf der anderen. Aufregende Schlachten und Drama, das ist erstmal eher eine Seltenheit. Die Vollbesetzung von fünf Spielern scheint mir mit Abstand die beste, hier kommen wir nicht umhin, uns zu kloppen.
Die Balance zwischen den Spielerfraktionen – jede hat eine kleine Sonderregel – scheint daneben. Einer kriegt eine globale Super-Regel, der andere einen sehr situativen bis niemals auftretenden minimalen Bonus. Insbesondere wenn man die Kickstarter-exklusiven Fraktionen hinzu zieht, wird es gefühlt eher schlimmer als besser. Das Spiel baut dabei vielleicht ein bisschen auf Balance Yourself, sprich: wenn jemand zu stark ist, verbündet euch halt gegen ihn. Aber das ist manchmal leichter gesagt als getan. Wir haben als Lösungsversuch die rosa Fraktion für Spiele zu viert erstmal rausgeschmissen. Paolo Mori selbst hat auf Boardgamegeek ein paar Varianten vorgeschlagen, die ich demnächst mal austesten möchte.
Ein paar mal ist es uns passiert, dass ein Spieler nur noch zwischen Pest oder Cholera wählen konnte, dass jeder mögliche Zug seine Situation verschlechtert hätte. Da konnten wir aber nur so halb sagen, ob das sein Fehler war, oder ein systemimmanentes Problem. Vielleicht ein bisschen von beidem.
The Ugly
Das Spiel sieht leider nicht sonderlich schön aus, insbesondere für ein Spiel aus dem Hause Cool Mini or Not. So ist zum Beispiel das Spielfeld in einem monotonen braun gehalten, das nicht so wirklich die Emotionen eines Steampunk-Ritter-Schlachtfelds unterstreichen kann. Ist das wirklich alles, was euch eingefallen ist?
Die Büsten, die wir für unsere Feldherren einsetzen, sind zwar einzeln ganz hübsch, aber im Rudel auf dem Spielplan sehen sie ziemlich dümmlich aus. Wir nennen sie eigentlich nur noch „Pilze“ (siehe das Bild oben). Sie sind mit ihren teilweise sehr ausladenden Hüten auch nur so halb geeignet, enge Grüppchen zu bilden.
Für häufige Rückfragen und Unklarheiten sorgen die Bezeichnungen auf den Spielkarten. Diverse Begriffe sind schwammig, ähnlich, undeutlich: Schlachtreihe, Schlachtleiste, Schlachtreihentableau, Schlachtenrang, Schlachtenrangfolge, Schlachtenbelohnungsrangleiste, Schlachtensiegbelohnungs-Feldherrenrangfolgen-Rangleistenreihenbonus… so oder so ähnlich. Das geht schon irgendwie, oft hilft auch der Kontext, um die Bedeutung zu erschließen, aber es ist nicht unbedingt ideal. Da hätte es sicher klarere Worte gegeben.
Ähnlich ist es mit den Wappen der Adelshäuser, die aus rein künstlerisch motivierten Gründen teilweise Variationen haben, statt eindeutig zu sein, und deren Farben ein bisschen strahlender hätten ausfallen können.

Das ist nicht schlimm, das kriegt man schon zugeordnet, aber es nervt ein bisschen, vor allem wenn man nicht gerade unter Flutlicht spielt.
In der Spielregel finden wir sträflich knappe Regeln, dafür aber einen ellenlangen Hintergrundteil, in dem wir über die Geschichte der fiktiven Welt, aller sechs Adelshäuser und aller Söldnerführer informiert werden. Finde ich süß, aber eigentlich völlig überflüssig. Es wirkt sehr gewollt. Das ist zwar auch irgendwie Thema, aber nicht die Sorte Thema, die mich interessiert.
The Good
Das war jetzt wieder eine Menge Gemecker. Warum zur Hölle ist das Spiel dann in der Kategorie Großes Showgeschäft gelandet?
Ganz einfach. Ich habe selten ein Spiel gespielt, in dem Opportunismus derart groß geschrieben wird. Klar, wir wollen in so gut wie jedem kompetitiven Spiel irgendwie lukrative Spielzüge machen, aber Dogs of War hebt das auf ein ganz neues Level.
Das Spielgefühl ist dermaßen durchtrieben, es ist nicht mehr feierlich. Den größtmöglichen Vorteil für sich selbst herauszuschinden, Absprachen treffen, die im erstbesten Moment einseitig aufgekündigt werden, gierig auf Punkte schielen, das Fähnchen im Wind drehen, einfach mal mitprofitieren, wenn andere mit ihren Soldaten schon alle Arbeit gemacht haben… Herrlich! Ein von Grunde auf böses Spiel, und viel thematischer – im Sinne einer Verzahnung von Mechanik und Thema – geht es nicht.
Außerdem ist Dogs of War ein weiterer Kandidat für den heiligen Gral in meiner „Queste nach einem kriegerischen Kampfspiel, in dem eigentlich nicht gekämpft wird“:
Dass wir nicht die Adelshäuser, sondern unabhängige Söldner spielen, unterstreicht zunächst die Gier und den Eigennutz, die wir sowieso gerne in unseren eskapistischen Brettspielwelten ausleben.
Der Hauptvorteil ist aber, dass niemand die Rolle des Verlierers übernehmen muss. Verliert ein Adelshaus eine Schlacht nach der anderen, und seine „Aktie“ ist am Boden, dann unterstütze ich halt ein anderes. Es ist nicht belanglos, ob man eher auf der Gewinner- oder auf der Verliererseite steht, aber es fühlt sich nicht völlig hoffnungslos an, wenn es ein paar mal daneben geht… Außerdem lassen sich im Windschatten eines starken Spielers oft erstaunlich viele Punkte machen.
Daneben macht das Spiel auch eine Menge Details richtig: Es ist im Nullkommanix erklärt, es spielt sich sehr flüssig, es hat eine schöne Spannungskurve, es ist recht knifflig, mit Geld und Soldaten zu haushalten, der Nutzen der Einsetzfelder wandelt sich im Laufe der Partie und muss stets neu bewertet werden… Und es dauert nicht allzu lange, auch mit diplomatischen Unterbrechungen waren wir immer in spätestens zwei Stunden durch.
Wer also Lust auf ein – zumindest spielerisch – schönes Kleinod der Bösartigkeit hat, er halte Ausschau auf den Grabbeltischen der Brettspielwelt.
Ich kann ihr bei vielem in deiner Rezension zustimmen.
Wenn ich mal ein paar wichtige Punkte rausgreife:
+tolle Mechanik
+tolle Atmosphäre am Spieltisch (wenn man böse und gemein Spiele mag 😉
-Thema kommt nicht rüber
-Grafikdesign und Optik mäh
-Bezeichnungen uninspiriert
-Schöne Minis sind nicht funktionell
Warum gibt es keine anderen Spielen mit anderem Thema, die diese geniale Mechanik aufgreifen.
Ich habe kein Spiel gefunden, das sich ähnlich anfühlt.
Ich bin schon am überlegen selbst was zu basteln.
Wobei ich nicht nur ein anderes Setting/Thema wählen würde, sondern auch hier und da an den Mechaniken drehn.
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