Angespielt – First Class

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Spielmaterial, Bildquelle: BGG

Ich habe ein gar wundervolles Spieleclubwochenende hinter mir. Mit ungefähr fünfzig Verrückten zwei Tage in einer Hütte sitzen und non stop Brettspiele spielen, ein Traum. Das ist natürlich eine hervorragende Gelegenheit, bisher unbekannte Titel anzuschauen. Hier der erste davon, First Class von Helmut Ohley, erschienen bei Hans im Glück.


Wie funktioniert das?

First Class ist ein variables Spiel, zu den normalen Aktionskarten werden beim Aufbau stets zwei aus fünf Modulen beigemischt. Wie empfohlen, habe ich im ersten Spiel A und B verwendet, das sind „Aufträge“ und „Punkteverdoppler“. Zu den anderen Modulen kann ich nichts sagen, aber ich schreibe ja auch keine „richtigen“ Rezensionen. Lebt damit.

Was ist unsere Aufgabe? Wir basteln neben unserem Tableau Ketten aus Waggons , die wir dann nach und nach aufwerten, für je ungefähr verdoppelte Punkte. Es zählen aber nur die Waggons, an denen unsere Schaffnerpöppel vorbeigelaufen sind. Züge können maximal zehn Karten lang sein, das sorgt nochmal für ein kleines Wettrennen, denn wer als erster einen Schaffner ans Zugende stellt, bekommt dafür einen satten Bonus.

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Rechts ein Zwei-Punkte-Zug, der aber noch nichts wert ist, weil der Schaffner noch links davon steht. Bildquelle: BGG

Nebenher basteln wir an einer Zugstrecke, darauf fährt eine kleine Holzeisenbahn an Siegpunkten und Feldern mit Bonusaktionen vorbei.

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Zugstrecke, Bildquelle: BGG

Wie immer bei solchen Spielen herrscht ein gewisser Entscheidungszwang, wir werden nicht zwei hochwertige Züge und eine grandiose Strecke aufbauen und die dann auch noch mit unseren Schaffnern und Eisenbahnen abklappern können.

Gespielt wird in sechs Aktionsphasen. Die bestehen darin, reihum Karten aus einer begrenzten Aufwahl in der Mitte zu nehmen und dann das zu tun, was drauf steht, etwa „bewege deine beiden Schaffner je zwei Waggons weit“ oder „baue diese Karte an deine Zugstrecke an“. Bis jeder drei Karten gespielt hat und die Auslage leergefuttert ist. Die Karten sind natürlich unterschiedlich attraktiv und können weggeschnappt werden, was dann auch die einzige Interaktion ist.

Nach je zwei solcher Phasen folgt eine Wertung. Hier gibt es Siegpunkte für die Waggonketten, außerdem werden Bonusaktionen auf den Zugstrecken ausgelöst. Das kann dann zu Ketten führen, in denen zusätzlich auch noch Aufträge erfüllt werden, die wieder Bonusaktionen lostreten, und so weiter. Die Wertung besteht also nur zum Teil aus „Punkte zählen“.


Wie spielt sich das?

Die Regeln sind etwas kleinteilig, ich habe nicht ohne Grund weite Teile davon weggelassen. Für die Erklärung sollte also schon eine halbe Stunde eingeplant werden, und First Class ist definitiv ein Kennerspiel. Dafür tauchten bei uns während des Spiels keine Fragen mehr auf, die Symbolik ist völlig selbstredend, die Abläufe eingängig, vielleicht mit der Ausnahme des Startspielerwechsels, da passieren komische Dinge. Das Spielmaterial ist allgemein sehr gut gemacht, trotz der verschiedenen Module und diversen Kartenstapel dauern Auf- und Abbau dank sinnvoller Farbcodierung nur wenige Minuten.

Allzu thematisch ist First Class nicht, das muss es aber auch nicht sein. In erster Linie ist es ein Optimierfest. Auswahl und Anzahl der Aktionen sind begrenzt, es gilt, einen möglichst siegpunkteträchtigen Weg zu finden. Das geschieht weitestgehend solitär, die Mitspieler dienen eigentlich nur dazu, die Aktionen weiter zu begrenzen.

Ein bisschen Zockerpotential ist vorhanden, wer etwa gierig ist, grabscht sich die hochwertigen Aufwertungen, das kann aber nach hinten losgehen, wenn dann etwa die eigentlich eingeplante Schaffnerbewegung nicht mehr vorhanden ist und die schönen neuen Waggons gar nicht gewertet werden.

Aber eigentlich ist das bisher recht banal. Wirklichen Spielreiz entwickelt First Class erst durch die Suche nach dem heiligen Spielzug, nach dieser einen allmächtigen Kombination, die alles in den Schatten stellt, die die sorgfältig präparierten Dominosteine kippen, die Mitspieler entsetzt aufschreien und unzählige Punkte vom Himmel regnen lässt.

Mein Zug ist x Felder weit gefahren. Dadurch bekomme ich sieben Punkte, drei Gold und zwei Aufwertungen. Mit den Aufwertungen erfülle ich diesen Auftrag, dafür bekomme ich noch zwei Waggonaufwertungen. Mit dem Gold kaufe ich drei neue Waggons, damit lege ich dieses Bonusteil umsonst an, das bringt mir eine weitere Aktion, damit erfülle ich diesen Auftrag, was mir wieder Siegpunkte bringt und einen weiteren Bonuswaggon bringt. Also noch schnell den Zug weiterfahren, dafür bekomme ich dann nochmal… Bamm! Nimm dies!

Jeder Spieler, der sich nicht allzu blöd anstellt, sollte diesen Moment ein bis zweimal erleben. Und wer das am schönsten gemacht und zumindest den Ansatz einer Strategie hatte, gewinnt das Spiel.


Wertung

Diese Momente muss man mögen. Ich zum Beispiel mag sie nicht besonders. Mir schlafen die Füße ein, wenn ein Mitspieler in Dominion sein Deck aus Karten zusammengebaut hat, die ihn jede Runde X weitere Karten ziehen und Y weitere Aktionen machen lassen, so dass sein gefühlter Spielzeitanteil schnell 80% oder mehr einnimmt, obwohl er am Ende doch nur ein Gold kauft oder sowas.

Ich bin auch kein riesiger Freund des Prinzips „Ich nehme diese Karte, damit ist sie weg, macht was anderes. Haha.“

Das soll aber natürlich nicht heißen, dass First Class irgendwie ein schlechtes Spiel wäre. Wer nach so einem Titel sucht, wird hier sicher nicht enttäuscht werden.

 

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