
Theoretisch sind wir im Jahre 1899, kuriose Phänomene ereignen sich in Stonehenge, Gizeh und an anderen geschichtsträchtigen Orten, die Zeit spielt verrückt, und wir reisen mit Hilfe von fantastischen Apparaturen darin herum.
In der Praxis ist Steam Time ein weiteres Spiel aus der Reihe „Wir haben ein Thema, aber das ignoriert ihr am besten, wir tun das auch, nutzt diese Siegpunktmaschinerie und optimiert, was das Zeug hält“.
Wie funktioniert das?
Eingerahmt vom L-förmigen Spielbrett befinden sich die sechs Orte. Ihre Reihenfolge verändert sich in jeder Spielrunde, daher das variable Brett. Auf den Orten selbst finden sich je fünf verschiedene Aktionen, und wir platzieren reihum unsere drei Luftschiffe darauf (Worker Placement), mit einer kleinen Einschränkung: Jeder Spieler darf in jeder Runde jeden Ort nur einmal nutzen und muss bei weiteren Aktionen höher gelegene Orte ansteuern. Das soll dann wohl die Zeitreise darstellen… na ja. Voll thematisch.
Die Aktionen an sich sind dann das übliche: Nimm dir Geld (Trostpreis), kaufe mit Geld Rohstoffe, kaufe Spielende-Siegpunktbedingungen, nimm dir Aktionskarten, bezahle mit Rohstoffen Produktionsgebäude/Technologien oder direkte Siegpunkte/Vorteile.
Das heißt im Spiel zwar nicht so, ist aber in etwa gleichzusetzen.
Aber jetzt kommt der Clou!
Unsere Kristallrohstoffe werden farblich sortiert auf unserem Spielerboard gelagert, und wann immer wir eine Aktion nutzen, erhält diese einen Sekundäreffekt, dessen Stärke von der Anzahl der passenden gesammelten Kristalle abhängt. So erhält man zum Beispiel bei der schwarzen Aktion kaufe Kristalle einen zusätzlichen weißen Jokerkristall für jeden schwarzen Kristall auf dem Board. Bei der grauen Aktion Nimm Geld erhalten wir zusätzliches Geld für jeden grauen Kristall auf dem Board, und so weiter.
Weil wir oft direkt mit Rohstoffen bezahlen müssen, führt das zu interessanten Entscheidungen: Will ich diese Aktion unbedingt haben, auch wenn ich zu wenige Kristalle für einen guten Sekundäreffekt habe? Will ich noch etwas warten und Kristalle anhäufen, um später starke Sekundäreffekte abzusahnen? Verzichte ich auf starke Effekte und nehme so viele Aktionen wie möglich mit?
Außerdem kann man über die Drittwährung Steam mit anderen Kristallen bezahlen als verlangt, was weitere Optimierungsmöglichkeiten bietet. Bezahle ich mit grünen Kristallen, oder gebe ich meinen letzten gelben aus?
Nach fünf Runden und ungefähr anderthalb Stunden endet das Spiel, und wer am meisten direkte Siegpunkte und erfüllbare Siegbedingungen angehäuft hat, gewinnt das Spiel.
Wie spielt sich das?
Anfangs erschlägt das Spielmaterial ein kleines bisschen, weil wir zusätzlich zu dem, was man als normalen Aufbau bezeichnen würde, diverse Sortierungen vornehmen müssen. In jeder Runde ändern sich die verlangten Rohstoffe, was über einen kleinen Extrakartenstapel geregelt wird. Die Produktionsgebäude haben je einen Stapel für jede Runde. Und so weiter. Das wird schon alles seinen Sinn haben, wirkte aber etwas übertrieben, wie mit Kanonen auf Spatzen geschossen.
Was dann folgt, ist Optimieren deluxe. Die eigene Dampf- und Kristallmaschine zum Laufen zu bringen, möglichst wenige Aktionen und Sekundäreffekte zu verschwenden, möglichst viele starke Effekte mitzunehmen, das ist recht knifflig und macht Spaß.
Interaktiv ist es nicht, das einzige, was wir unseren Mitspielern antun können, ist das im Worker Placement übliche Blockieren von Aktionsfeldern, aber es gibt so viele davon und alles ist irgendwie gut, also spielt das kaum eine Rolle. Ein paar Aktionskarten bieten auch den Mitspielern Optionen, etwa Nimm einen grünen Kristall, die anderen Spieler können für drei Geld einen grünen Kristall kaufen, aber das sorgt jetzt auch nicht wirklich dafür, dass wir nicht nebeneinander her spielen.
Balancetechnisch waren wir etwas verwirrt von den Produktionsgebäuden/Technologien: Die produzieren sofort und und dann zu Beginn jeder verbleibenden Runde einen festen Betrag an Geld, Kristallen oder Punkten. Sie lohnen sich also nur früh im Spiel, dennoch gibt es fünf vorsortierte Stapel, und sie werden hinten raus gefühlt weder billiger noch mächtiger. Irgendwas fühlt sich da unfertig an, oder war uns schlicht zu hoch.
Auch der Nachteil für den ersten Startspieler wirkte etwas übertrieben, die anderen Spieler werden mit gar nicht wenig Zeug dafür entschädigt, nicht diese eine allererste Auswahl zu haben, und können den Startspielermarker sofort mopsen.
Wertung
Die Maschine an sich ist sehr hübsch, Steam Time ist ein sehr gutes, funktionierendes Spiel mit interessanter Mechanik, aber diese draufgepopelten, völlig austauschbaren Themen fangen so langsam an, mich zu nerven.
Ich habe Nicola Tesla getroffen. – Uii, interessant! Und, wie wars? – +1 grüner Kristall (o.ä.).
Das Material ist hochwertig, aber sehr knallig und bunt, das passt zwar nicht so recht zu dem, was man von Steam Punk erwartet, hat aber seinen eigenen Charme. Es unterstützt aber ebenfalls nicht dabei, sich in irgendeiner Weise so zu fühlen, als wäre man mit einem Dampfmaschinenzeppelin auf Zeitreisen. Steam Time erzählt keine Geschichte, und hat auch nicht das geringste Interesse daran.
Das dämpft ein wenig meine Wertung, so wird es eine 6/10.
Da kommen wir zu einer sehr ähnlichen Wertung. Mich hat das nicht greifbare Thema auch ungemein gestört. Ich bin normalerweise beim „Thema“ tolerant. Marco Polo ist jetzt auch nicht super innovativ was das Thema angeht aber was macht ein fahrender Händler … Er reist von A nach B und schließt lukrative Aufträge ab. Bei „Steam Time“ dachte ich mir. „Warum muss ich jetzt Kristalle abgeben wenn ich eine Expeditionen unternehme? Zeitreise Steampop Szenario in dem ich Zeitanomalien oä untersuche und ich muss immer noch Geld einsammeln?
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