Angespielt – Schachen

schachen

Schachen (BGG-Link) ist eine Variante des Spiels der Könige, erfunden mit der Intention, Spielern den Zugang zum spannenden taktischen Mittelteil zu ermöglichen, ohne dass sie stapelweise Bücher über Eröffnungstheorie und das Endspiel studieren müssen. Sagt die Spielregel zumindest.

Gespielt wird auf einem imaginären Brett mit angepassten Regeln, und die Figuren werden erst nach und nach aufgebaut. Das Ziel ist natürlich, den gegnerischen König matt zu setzen.

Spielinhalt

Jeder Spieler startet mit vier Bauern und seinem König, die vier Bauern in einer Reihe, die Könige dahinter. Die verfeindeten Bauern trennen zwei imaginäre Reihen.

Ein Zug besteht aus zwei Schritten:

  1. Pflicht: einen regulären Schachzug ausführen.
  2. Optional: eine neue Figur ins Spiel bringen.

Die Schachzüge sind leicht angepasst, was wohl vor allem dem nichtvorhandenen Brett geschuldet ist. So ist ein Zug nur dann erlaubt, wenn er entweder eine Figur schlägt, oder in der Nachbarschaft einer anderen Figur endet (diagonal geht auch). Insbesondere kann man dadurch nicht beliebig weit rückwärts gehen, und das Spielfeld bleibt ungefähr so groß wie ein Schachbrett.

Könige dürfen überhaupt nicht rückwärts laufen, außer sie schlagen dadurch eine Figur. Das fühlt sich etwas ungelenk an, denn wenn man einmal einen Schritt vorwärts gelaufen ist, etwa um einen Abtausch abzuschließen, darf man nie wieder zurück in die Ausgangsposition, und…

…die Promotion zur Dame folgt ebenfalls eigenen Regeln, ein Bauer wird gegen eine bereits geschlagene Figur ausgetauscht, wenn er die Reihe betritt, in der sich der gegnerische König gerade aufhält. Das kann dazu führen, dass man schon befördert, bevor man die „letzte“ Reihe erreicht hat. Und auch die eingeschränkte Auswahl ist gewöhnungsbedürftig, denn zwei Damen sind eine ganz andere Hausnummer als Dame+x.

Die neuen Figuren werden nach festen Regeln ins Spiel gebracht: Bauern nur direkt neben eigenen Bauern, die anderen Figuren nur direkt hinter eigenen Bauern.DSC_0163

Ein neuer Springer wird ins Spiel gebracht. Damit das ein sinnvoller Zug ist, bitte einen zweiten schwarzen Bauern dazudenken. 😉

Das simuliert den Teil des Originalspiels, in dem die Figuren nach und nach aus der letzten Reihe in Stellung gebracht werden. Aber es wertet den Bauern natürlich ungemein auf.

Schach Matt ist erreicht, wenn der König im Schach steht und sich nicht durch einen regulären Zug retten kann, also schlagen, seitwärts oder vorwärts laufen, oder von einer anderen Figur gerettet werden kann.

Ein Patt tritt ein, wenn ein Spieler keinen Zug ausführen kann.


Bewertung

Ich bin ein bisschen voreingenommen, denn ich kenne die beiden Autoren vom allmonatlichen Prototypentesten, und habe das Spiel quasi zu Weihnachten geschenkt bekommen. Nichts desto trotz werde ich aber ordentlich meckern… Also: „Ich mochte das Spiel sehr gerne, aber…“ 😉

Das ist kein Schach. Auch nicht das versprochene Midgame. Es spielt sich völlig anders, und auch wenn man sich nun die Theoriewälzer für die Eröffnung sparen kann, der Aufwand bleibt bestehen, denn man muss nun ein komplett neues Spiel lernen, mit völlig eigenen Taktiken. Das ist nicht negativ gemeint, aber es ist einfach ein anderes Spiel als erwartet.

Ich gehe im folgenden auf ein paar Details ein, um das zu verdeutlichen, das meiste davon bitte als das ist ungewohnt und nicht das ist schlecht lesen.

Weil man Figuren nicht bewegen kann, wie man es gewohnt ist, müssen sie neu bewertet werden:

So sind etwa Türme und Läufer eigentlich hervorragende Langstreckenkämpfer, die sich irgendwo positionieren und dann ungeheuren Druck ausüben. Das gilt aber natürlich nicht, wenn sie sich nicht frei bewegen dürfen.

Oder die Bauern. Die sind hier ungleich wichtiger als im Original, weil sie der Rekrutierung dienen, nur in ihrer Nähe können neue Figuren ins Spiel gebracht werden.

Man muss also schon bei den Eigenschaften und Wertigkeiten der regulären Figuren gehörig umdenken.

Es passieren unvorhergesehene Dinge:

Ein weiteres Mal musste ich völlig umdenken, weil die Figuren buchstäblich aus dem Nichts auftauchen.

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Das ist eine handelsübliche „Gabel“. Sogar eine besonders hübsche. Wer darauf reinfällt, hat das auch verdient.

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Das ist auch eine Gabel, aber ungleich schwerer vorherzusehen, weil der zweite Angreifer vorher gar nicht auf dem Brett war.

In einer Partie hatte ich zum Beispiel einen vernichtenden Angriff mit Dame und Turm eingeleitet, der im regulären Spiel zu einem unabwendbaren Matt geführt hätte. Hier tauchte aber auf einmal ein rettender Turm aus dem Nichts auf, und nicht nur war mein Angriff nun für die Katz, auch meine Dame war verloren.

Natürlich kann man hier einen gewissen Denkaufwand betreiben und alle Eventualitäten einkalkulieren, aber ganz ehrlich, da ist es mir wesentlich lieber, wenn von Anfang an alle Figuren vorhanden sind und ich sie kommen sehe.

Es gibt auf einmal ein Glücksmoment:

Weil man die Figuren nach und nach auf die Hand zieht, ist man in der Auswahl eingeschränkt, und es kann durchaus passieren, dass ein Spieler besser nachzieht als der andere. Allzu schlimm ist das nicht, aber Schach und Glück, das passt nicht so recht zusammen.

Das fehlende Brett nervt:

Wir mussten die Figurenplättchen haargenau perfekt ausrichten und aufpassen, dass sie sich beim Bewegen gegenseitig nicht verschieben, sonst kann man zum Beispiel nur sehr schwer einschätzen, welchen Bauern auf der gegenüberliegenden Seite eine Dame gerade bedroht.


Fazit

Ich mag die Idee, Schachen macht Spaß und ich habe auch Lust, mich ein wenig reinzufuchsen und weitere Partien zu spielen. Es funktioniert, aber es funktioniert halt anders als erwartet (und versprochen).

Wenn ich es das nächste Mal auspacke, werden wir wohl auf einem Schachbrett mit echten Figuren spielen und die Plättchen nur zum Nachziehen benutzen, denn so richtig adrett ist ohne Brett einfach nicht.


9 Gedanken zu “Angespielt – Schachen

    • Ist ja auch ein tolles Spiel. Ich hatte gestern nochmal drei Partien, und so langsam gewöhne ich mich dran.

      So langsam kristallisieren sich auch wieder Wertungen heraus:

      Klassische Wertung: Dame:9, Turm:5, Läufer/Springer:3, Bauer:1
      Beim Schachen gefühlt: Dame/Springer:5, Läufer/Turm/Bauer:3

      Der Springer ist ein Nahkämpfer, und bei einem so kleinen Feld extrem gut, der Turm hat Probleme, ins Spiel zu kommen, daher rutscht er ab, und auch die Dame ist nicht sooo stark, weil sie nur schwer Positionen für ihre Rundum-Mobilität einnehmen kann. Und der Bauer ist kein „Bauernopfer“ mehr.

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