Thematische Spiele

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So gut wie jedes Spiel hat ein Thema, gerne ein exotisches und ausgefalles. Und natürlich ist das dann auch ein Kaufgrund: Wow, fliegende Inseln, und so schön illustriert! Das muss ich haben, das möchte ich erleben!

Aber das ist erstmal nur die Oberfläche. Ein „Spiel mit Thema“ ist noch lange nicht thematisch. Dieses Adjektiv verdient es sich erst, wenn die Mechanik mit dem Thema Hand in Hand geht, wenn die beiden untrennbar verwoben sind.


Thema, Mechanik und Erwartungen

Es ist eine ewige Diskussion, ähnlich der von Henne und Ei, ob es beim Erfinden eines Spiels einen „richtigen“ Startpunkt gibt, Thema oder Mechanik. Ich persönlich glaube, es ist weitestgehend egal. Wichtig für uns ist hier ohnehin nur: Sobald beides da ist, beeinflussen sie sich gegenseitig.

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Inspiration sollte halbwegs klar sein. Alle im Chor, bitte:

  • Wie baut man ein Haus? – Holz und Stein!
  • Das Monster haut mich, was passiert?  – Lebenspunkte abgeben!
  • Was passiert, wenn ich viel verkaufe? – Der Aktienkurs sinkt!

Mit Kompromisse meine ich, dass ich mein Thema vielleicht ein bisschen anpassen muss, weil die Mechanik es fordert. Vielleicht muss ich etwa eine eigentlich sehr thematische Regel streichen, weil sie den Spielfluss zu sehr bremst.

Die Pfeile bilden nicht nur den Designprozess, sondern auch haargenau die Erwartungshaltung der Spieler ab. Du kannst Piraten nicht ihre Schiffe nehmen oder Dungeons ohne Monster und Schätze präsentieren. Aber Spieler zeigen in der Regel auch Verständnis, dass sie irgendwelche Mechaniken einfach akzeptieren müssen.

Ob die Erwartungshaltung erfüllt wird, hängt natürlich davon ab, wie sehr die beiden wunderhübsch gemalten Kreise am Ende überlappen.

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Eine perfekte Sonnenfinsternis kann es natürlich nie geben. Selbst die thematischsten Brettspiele aller Zeiten bleiben ein Stück weit abstrakt. Und ich weiß noch nicht mal, ob die beiden Kreise gleich groß sind.


Muss ein Spiel thematisch sein?

Bei kurzen und einfachen Spielen bin ich nicht so streng, hier dient das Thema für mich fast ausschließlich der Einordnung. Sind lustige Bildchen drauf, erwarte ich ein lockeres, seichtes Spielgefühl. Wirkt die Gestaltung eher ernst oder abstrakt, erwarte ich eine Knobelaufgabe.

Wenn ich dagegen mehrere Stunden am Tisch sitze, erwarte ich einen gewissen Grad an Immersion. Ich will Unterstützung dabei, in die für mich fremde Welt einzutauchen. Ich will eine Rolle verkörpern und danach handeln dürfen, und es soll in der Welt des Spiels Sinn machen.

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Kurioserweise gibt es für mich eine Ausnahme, und zwar gerade bei den oft kritisierten, „seelenlos“ genannten Eurogames im Stil von Setze Arbeiter ein, sammle Rohstoffe, erfülle Aufträge. Natürlich passt sowas in so gut wie jedes Setting rein. Ich bin Tuchhändler in Florenz? Austauschbar, ich könnte auch Lamahändler in Peru sein. Aber das ist nicht der Punkt. Wichtig für mich ist: Das Spielgefühl ist kaufmännisch, das Thema auch. Das Spiel ist also ehrlich.

Aus diesem Grund habe ich zum Beispiel keinerlei Probleme mit Stefan Felds Burgen von Burgund, halte es im Gegenteil sogar für ein wundervolles Spiel. Aber ich scheue mich davor, sein Merlin überhaupt nur anzuschauen. Es kann mir keiner erzählen, dass ich dort irgendetwas vorfinden werde, was sich auch nur im Entferntesten mit den Erwartungen verbinden lässt, die Artus und die Tafelrunde in mir wecken.


Wann wird es denn zum Problem?

So richtig „sickig“ werde ich, wenn ein Spiel mit einem Thema daherkommt, dass es sich mechanisch einfach nicht verdient hat. Um so ausgefallener, desto enttäuschter bin ich, wenn Autor und Verlag nicht All-In gegangen sind. Ich fühle mich schon fast betrogen.

Nehmen wir zum Beispiel das Spiel Der Pate, mit dem schönen Thema Mafia. Hier erwarte ich – vor allem geprägt durch den Film – zwingend, dass die folgenden Punkte mechanisch wiedergegeben sind:

  • Was wir tun, ist hochgradig illegal. Wir müssen unser Geschäft daher vor Störungen durch das Gesetz schützen, etwa indem wir Politiker oder Polizisten bestechen. Aber das Risiko, erwischt zu werden, muss vorhanden sein.
  • Wir haben seltsame Moralvorstellungen, einen pervertierten Begriff von „Ehre“, etwa ein starkes Gefühl für Loyalität, aber nur innerhalb unserer Kreise.
  • Eigentlich könnten wir uns gegenseitig in Ruhe lassen, wir sind reicher als Gott, aber die Gier lässt nicht nach. Daher müssen wir in eine Drohkulisse investieren, Schläger und anderes Fußvolk beschäftigen, bloß keine Schwäche zeigen. Dieses Wettrüsten bringt keinem etwas, „Krieg ist schlecht fürs Geschäft“, aber wir können nicht anders.

Und was machen wir in dem Spiel? Eigentlich sammeln wir nur Rohstoffe und tauschen sie in Punkte um. Das ist eine Wirtschaftssimulation, die sich von den oben genannten Eurogames wenig bis gar nicht unterscheidet.


Ende Gelände

Ich verstehe, warum es diesen Drang gibt, auffällige und beeindruckende Themenwelten für Brettspiele erschaffen zu wollen. Aber das geben die meisten Spiele – als Anhäufung von Mechanismen betrachtet – einfach nicht her.

Würdest du gerne erleben, wie der erste Weltkrieg verlaufen wäre, wenn es turmhohe Kampfroboter gegeben hätte? – Dann bastel doch mal weitestgehend solitär auf einem Aktionsboard herum. Und ob das jetzt Kampfroboter im ersten Weltkrieg sind oder abstrakte Holzfiguren, die für alles mögliche in allen möglichen Konflikten stehen könnten, macht eigentlich keinen Unterschied.

Wir sind Assassinen, aber nicht irgendwelche! Wir sind Fantasy-Assassinen, die in ein Büro voller Fabelwesen einbrechen und den Drachen mit Lochern und Bleistiften umbringen müssen! Cool, was? – Hier hast du einen 08/15 Deckbuilder. Karten ziehen, Aktionskarten kaufen, Siegpunkte sammeln.

Gerade bei den vielen Hybriden aus „Eurogame“ (sehr mechanisch) und „Ameritrash“ (sehr thematisch), die in den letzten Jahren – vor allem über Kickstarter – den Markt überschwemmen, nimmt es inzwischen völlig überhand. Alles muss exotischer, kreativer, aufregender werden… außer den Spielmechaniken. Da scheint es zu reichen, die alten Mechanismen neu durchzuwürfeln.

 

6 Gedanken zu “Thematische Spiele

  1. Ich finde auch, dass Thema und Mechanik mit zunehmender Spieldauer zueinander passen sollten..solang es nicht zu regellastig wird…

    Schön finde ich, dass du Sycthe erwähnst. Der Name ist ja auch irgendwie einerseits eine Anspielung auf Landwirtschaft und dann auf den Sensenmann…aber von Letzterem ist leider nicht wirklich viel im Spiel. Es liest sich wie ein Hybrid aus Eurogame und Wargame und sieht auch danach aus… ist es aber nicht.

    Auf der anderen Seite muss ich Viticulture vom selben Verlag sehr loben. Hier stimmt das Feeling. Es kommuniziert ein eher entspanntes Spiel … es ist Weinbau … nicht Falcon Crest Weinbau mit Ninjas und Intrigen … sondern richtiger Weinbau…als ich da gelesen hab: Der Wein reift…musste ich das Spiel haben. Es gibt zwar Abstiche was die Korrektheit angeht aber dieses kleine Detail und die Tatsache, dass das Spiel genau das kommuniziert was es ist macht es so gut.

    Was ich z.B. nicht verstehe ist der Status vom Im Wandel der Zeitalter. Ein CivGame ohne Brett und mit Karten….für mich ist das kein Civgame. Ja es sind bunte Bildchen aus den verschiedensten Epochen und man hat bekannte Persönlichkeiten usw. Das macht für mich aber kein Civgame aus. Das entsteht aus der Interaktion mit den anderen Mitspielern…Diplomatie, Handel, drohende Konflikte uä.. 7 Wonders ist für mich da ein besseres CivGame, bei weit höherem Abstraktionsgrad (dafür aber ungefähr einem Fünftel der Spieldauer). Militärisch sind die direkten Nachbarn am stärksten bedroht und es kann zum aufrüsten kommen aber die Nachbarn sind auch die besten Handelspartner. Wissen (Handkarten) wandert auch durch die Kulturen. Macht thematisch mehr Sinn als … von der Auswahl nimmst du dir was.

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  2. „Im Wandel der Zeiten“:
    Das Spielgefühl fand ich eigentlich angemessen, ich baue eine Zivilisation auf und entwickle sie. Klar, das Brett fehlt als visueller Indikator meiner Ausbreitung, die vielen Leisten können das nur bedingt ersetzen… Aber ich finde, das taugt nicht als schlechtes Beispiel.
    Und „7 Wonders“ ist imho kein Vergleich, weil ich mich schon alleine aufgrund der höheren Spieldauer wesentlich stärker emotional mit meiner Zivilisation verbunden fühle.

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    • Vielleicht ist es mir zu sehr Eurogame. Ich bin schon auf das neue Civ gespannt.Handelsrouten, neutrale Städte mit denen man unterschiedlich interagieren kann, Diplomatiekarten und alles unter 2h…dass es sowas wie Armeekarten und konkrete Gebäude nicht gibt kann ich verschmerzen, wenn ich die wahl habe mit einer neutralen Stadt zu handeln, sie in mein Reich zu integrieren oder nieder zu brennen 🙂

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  3. Hat dies auf mittwochsspielen.com rebloggt und kommentierte:
    Peter Rustemeyer bringt zu Papier, was mir schon lange diffus im Kopf herumschwirrt.

    Über die thematische Einbindung von Spielmechanismen:

    „Wenn ich dagegen mehrere Stunden am Tisch sitze, erwarte ich einen gewissen Grad an Immersion. Ich will Unterstützung dabei, in die für mich fremde Welt einzutauchen. Ich will eine Rolle verkörpern und danach handeln dürfen, und es soll in der Welt des Spiels Sinn machen.“

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