Und wieder einmal Cool Mini or Not. Rising Sun ist der „geistige Nachfolger“ von Blood Rage, wie ich lesen durfte. Wer auf den Link klickt, wird eine recht überschwängliche Lobhudelei meinerseits vorfinden. Ich weiß nicht, ob ich das heute noch so schreiben würde.
Wie geht das?
Wir spielen drei Jahre, die stets mit einer Teezeremonie beginnen: Wir dürfen uns einen Verbündeten suchen, mit dem wir uns in diesem Jahr nicht prügeln wollen. Dazu legen wir Yin&Yang-Spielsteine in unseren Spielerfarben aneinander. Wie kuschelig.
Dann folgen die tatsächlichen Aktionen. Das funktoniert wie in Puerto Rico. Reihum wählt ein Spieler eine Aktion aus, aber jeder am Tisch darf sie machen. Karten kaufen, Figuren einsetzen, Burgen bauen, Truppen bewegen… das übliche. Der aktive Spieler und sein Verbündeter bekommen dabei stets einen kleinen bis größeren Bonus.
Wer keinen Partner gefunden hat – im Spiel zu dritt passiert das gezwungenermaßen – wird dadurch kompensiert, dass er die starke „Verrat“-Aktion wählen darf, ohne dabei „Ehre“ zu verlieren.
Nach sieben dieser Aktionen gibt es endlich Krieg. Im Wesentlichen machen wir das über einen Stärkevergleich in den umkämpften Regionen, wer mehr Figuren hat, gewinnt. Obendrauf sitzt aber noch ein geheimes Auktionssystem. Wie bieten etwa darum, wer ehrenhaften Selbstmord begehen darf oder wer ein Gedicht über die Schlacht schreiben darf – Japaner sind halt so. Der Gewinner gibt seine Münzen an den Verlierer ab, weil Aufholmechanik.
Siegpunkte gibt es für allerlei, am wichtigsten erscheint dabei eine Art „Bingo“: Wer über die drei Jahre in möglichst vielen verschiedenen Regionen Kämpfe gewinnen konnte, kriegt dafür einen Riesenhaufen Siegpunkte.
Wie spielt sich das?
Beginnen wir mit der Teezeremonie, also der diplomatischen Komponente. Meine Mitspieler schienen irgendwie überzeugt zu sein, dass das wirklich etwas bedeutet. Für mich war klar, dass das höchstens eine Zweckehe ist. Ich suche mir einen „Partner“, damit ich bessere Aktionen machen darf. Aber ich werde den Teufel tun und mich mit ihm absprechen oder irgendwelche Zugeständnisse machen. Wenn er mit einer Aktion nichts anfangen kann, die ich auswähle… um so besser.
Das führte zu seltsamen Situationen. Peter ist ein schlechter Verbündeter, meckerte irgendwer. Verbünden wollte er sich trotzdem, er wäre blöd, es nicht zu tun. Keine Ahnung, ob sich das irgendwie anders angehen lässt, aber ich hatte das Gefühl, dass da nicht so richtig Spielraum für „Verhandlungen“ ist.
Die Aktionsphasen sind sehr chaotisch. So wirklich planen kann man nicht, beziehungsweise wird das andauernd wieder über den Haufen geworfen. Mal gibt es die Aktion nicht, die du gerne hättest, mal wird nicht dort gekämpft, wo du gerne kämpfen wollen würdest. Und dann funken Dutzende Spezialfähigkeiten, Götterboni, Völkerregeln dazwischen. Man muss auch andauernd nachfragen, wie viel Stärke der Gegner jetzt in welchem Feld hat, weil er wieder irgendeine Karte bekommen hat, die alles umschmeißt. Worauf ich hinarbeiten muss und was „gut“ ist, ist erstmal ein wenig undurchsichtig. Wer am Ende wo gegen wen kämpft, erscheint dann schon fast zufällig.
Es passieren sowieso haufenweise Dinge, die in einem Spiel dieser Art – Armeen anhäufen und sich gegenseitig verprügeln – völlig „broken“ erscheinen, aber wir spielen halt kein Spiel „dieser Art“. Rising Sun ist wieder mal so ein seltsames Hybrid-Ungetüm, sehr „mechanisch“ an manchen Stellen, an denen es thematisch sein könnte. Balancetechnisch passt das bestimmt alles irgendwie, aber es ist halt unintuitiv und fühlt sich seltsam an, wenn man es nicht unter dem Motto „Siegpunkteverwaltung“ spielt.
Diese Schere zwischen Thema und Mechanik ist mein Hauptproblem mit Rising Sun, mit CMON im Allgemeinen. Klar, ihr könnt eine Phase Teezeremonie nennen oder mir eine dicke Figur in die Hand drücken. Das hilft, aber es reicht nicht.
Nicht falsch verstehen, die Ausstattung und Aufmachung ist wieder großartig: Hochwertige Komponenten, liebevoll designt, und irre viel davon. Gleich zwei Spieleschachteln, randvoll mit riesengroßen, schweinecoolen Monstern. Dinger, für die der Begriff „Miniatur“ schon fast unangemessen ist. All der bombastische Krempel, den das Herz begehrt. Ich verstehe, warum ihr so viel Geld dafür ausgebt.
Aber: Warum verdammt noch mal kriegen die das nicht irgendwann mal hin, dass diese Dinger im Spiel irgendwas bedeuten? Wenn ich mir einen Drachen kaufe, dann will ich, dass das sich auch so spielt. Dass meine Mitspieler denken „Oh kacke, da kommt der wieder mit seinem übermächtigen Vieh“, und nicht „so, damit hat er 3+1=4 Stärkepunkte, ich momentan 2, das kriege ich hin, wenn ich noch 2 popelige Chips danebenlege. Und wenn ich gewinne, ist der Drache einfach weg, weil er genauso viel aushält wie ein Fußsoldat“.

Da stellst du den leibhaftigen Teufel in einen Kampf rein, und der Gegner nimmt ihn einfach „gefangen“, weil er eine Münze mehr in der Auktion geboten hat. Da kaufst du dir einen dämonischen Höllenhund, und auf der Karte steht dann „zählt wie eine stinknormale Figur“.
Sorry, das ist nicht das, was ich mir darunter vorstelle, riesige Monster ineinander zu schieben.
Fazit
First and last game of Rising Sun. Never has such an unthematic game looked so good. It feels mechanical at every step. Stop the hype train, I want to get off.
…schreibt Actualol auf Twitter, und ich bin geneigt, ihm zuzustimmen.
Rising Sun funktioniert als mechanisches Konstrukt. Es ist etwas chaotisch und unübersichtlich, aber das geht schon irgendwie. Da könnte man sich reinfuchsen. Will ich aber nicht. Bei dieser Ausstattung erwarte ich mehr Thema.
CMON brauchen sich natürlich keine Sorgen zu machen. Der Hype Train wird weiterfahren. Ich wünschte nur, ich dürfte mitfahren.