Angespielt – Azul

haptisch
Hintergrundbild: Pegasus Spiele

Eigentlich sollte das schon fast als Rezension reichen. New Boardgame Journalism.


Wie geht das?

Jede Runde beginnt mit der Musterphase. Die heißt so, weil du Fliesen aus einer wechselnden Auslage nehmen musst. Weil das ja klar ist. Die kommen dann erstmal in ein Lager, in dem jedes Regal nur begrenzten Platz bietet und nur eine Farbe Fliesen aufnehmen will. Was nicht reinpasst, zerscheppert und bringt Minuspunkte.

Dann folgt etwas, das in der Spielregel tatsächlich Fliesungsphase heißt. Find ich irgendwie großartig, dieses Wort. Da wandern die Fliesen aus den vollen Regalreihen, und wir bekommen Punkte dafür, damit schöne Muster zu bauen – „Musterphase“ hätte auch gepasst, war aber leider schon weg.

Danach geht es wieder von vorne los, bis ein Spieler fünf Fliesen nebeneinander legen konnte. Dann endet das Spiel mit einer Schlusswertung und diversen Bonuspunkten.


Wie spielt sich das?

Begeistert fummeln wir das Material aus der Schachtel, alle grabschen irgendwie daran herum, klappern und klackern mit den formschönen Plastiksteinen. Auch die Erklärung gestaltet sich angenehmst, Azul ist sehr einfach zu lernen.

Gediegen lehnen wir uns zurück, wir haben verstanden, dass das ein Wohlfühlspiel ist. Fliesen nehmen, puzzlen, Punkte einstreichen, und am Ende hat halt irgendwer gewonnen, aber alle haben ein schönes Badezimmer.

Alleine… dabei bleibt es natürlich nicht. Wir brauchen nichtmal einen Spielzug, um den Blick zu den Nachbartableaus schweifen zu lassen. Und dann geht es los.

  • Erste Stufe: „Mir sind die Farben egal, also nehme ich diese, damit Olaf sie nicht kriegt. Dem ist es nämlich nicht egal.“
  • Zweite Stufe: „Wenn ich blau nehme, bleiben Olaf diese zwei Farben… Wenn er rot nimmt, bleiben für Anja nur noch Minuspunkte… Ist doch so, Olaf? Du nimmst dann ROT, ja?!?“
  • Dritte Stufe: „Wenn ich blau nehme, kommt rot bei mir an, das kann ich nicht brauchen. Wenn ich gelb nehme, dann wird Olaf vielleicht blau nehmen, und dann bekomme ich… Nein, das geht nicht auf. Nochmal von vorne… Ich nehme schwarz, dann nimmt Olaf blau oder gelb. Falls blau, dann nimmt Anja vermutlich… Moment, blau kann Olaf gar nicht mehr in diese Reihe tun… Also nimmt er gelb? … Jetzt bin ich durcheinander… und… wie viele Minuten Spielzeit stehen nochmal auf der Schachtel?“

Azul lebt vom Zugzwang. Wer sein begrenztes Lager nicht vernünftig plant, wird schnell in die Zwickmühle geraten, dass er Steine nehmen muss, die ihm lediglich Minuspunkte einbringen. Insbesondere, weil die meisten Mitspieler grundsätzlich schlechte Menschen sind und genau dafür sorgen wollen. Das Spiel lässt sich wunderbar gemein spielen.

Ich nehme aber auch an, dass das nicht sein muss. Irgendwo in meinem schwarzen Herzen keimt noch ein wenig die Hoffnung, dass es auch Spielrunden geben wird, die weitaus harmonischer verlaufen als unsere.


Fazit

Azul ist für mich ein wunderbarer Kandidat für den roten Pöppel. Das Material ist wirklich wunderschön. Es hat sehr kurze Regeln, aber Spieltiefe. Es fühlt sich bekannt an, aber irgendwie auch neu. Alles richtig gemacht.

Dass es momentan ungefähr überall vergriffen und bis zur nächsten Auflage nur noch zu dreistelligen Mondpreisen auf Ebay zu erhalten ist, sagt mir: Vermutlich stehe ich mit dieser Meinung nicht alleine da. Erstaunlich, bei einem derart abstrakten Spiel.

P.S: Ich hoffe, dieser Artikel ist einigermaßen vernünftig zu lesen. Es gibt ihn eigentlich nur, weil ich das Bild oben basteln wollte. 😉

9 Gedanken zu “Angespielt – Azul

  1. […] Dem wunderbaren Bericht von Peter Rustemeyer zu Azul ist kaum etwas hinzuzufügen. Klasse Spiel: schneller Zugang, trotzdem mit einer für ein Familienspiel enormen Spieltiefe.  Dazu schönes Material und hoher Aufforderungscharakter. Ist bei uns in allen Runden bislang prächtig angekommen und mein Nummer #1 Favorit auf den roten Spiel-des-Jahres-Pöppel. […]

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