Angespielt – Der Pate

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Bildquelle: BGG

Leave the gun illustrations. Bring the cannoli miniatures!

Eric M. Lang hat es wieder getan, „Dudes on a map“, diesmal mit Gangstern. Vergleiche mit Blood Rage werden bemüht, wo immer ich hinschaue. Die passen aber diesmal so gar nicht, Der Pate ist in erster Linie ein Worker Placement Spiel.


Wie funktioniert das?

Reihum setzen wir Arbeiter Mafiosi ein und erhalten dafür Handkarten – Aufträge, Ressourcen oder Geld. Die Figuren sind dabei in zwei Gruppen unterteilt: Kleine Gangster frühstücken jeweils nur ein Aktionsfeld ab, richtige Familienmitglieder dagegen setzen sich auf die „Knotenpunkte“ zwischen den Stadtvierteln und plündern alle umliegenden Felder. Da kommt dann eine Menge zusammen.

Wer die passenden Rohstoffe gesammelt hat, darf einen seiner Aufträge erfüllen, was gleich dreierlei Vorteile bringt:

  • Eine Menge Geld, Mafiosi lieben Geld.
  • Einen schönen Effekt, das unterscheidet sich von Karte zu Karte.
  • er hat einen Zug gemacht, ohne eine Figur zu setzen, ist also eine Runde länger dran.

Zum Rundenende müssen überzählige Handkarten abgeworfen werden, es bietet sich also an, möglichst viel davon gewinnbringend umgesetzt und/oder ins private kleine Köfferchen geschafft zu haben. Auch dafür gibt es Aktionsfelder.

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Spielplan, Bildquelle: BGG

Nachdem alle Ganoven eingesetzt sind, wird gewertet, wer eine Mehrheit an Figuren in oder an den einzelnen Stadtvierteln erreicht hat. Als Belohnung gibt es ein Mitprofitieren à la Lords of Waterdeep: Setzt jemand eine Figur in mein Viertel, bekomme ich ebenfalls etwas ab.

Weil der Pate ein Mafiaspiel ist, muss es natürlich auch Möglichkeiten geben, sich gegenseitig richtig fies umzubringen. Die fallen hier aber eher begrenzt aus.

  • Es passiert fast nur über die zufällig gezogenen Aufträge
  • Es trifft nur Figuren, die bereits eingesetzt wurden, also schon Ertrag erwirtschaftet haben
  • Es trifft sie auch nicht dauerhaft. Wer „bei den Fischen“ liegt, wacht zur nächsten Runde wieder auf und macht weiter.

Nach vier Durchgängen und ungefähr zwei Stunden endet das Spiel, es gewinnt, wer das meiste Geld im Köfferchen hat, plus Bonuspunkte für die Stadtviertel und zueinander passende Auftragsfarben.


Wie finde ich das?

Figuren einsetzen, Belohnung kassieren, das haben wir schon tausendmal gesehen. Und Geld/Siegpunkte für das Erfüllen von Aufträgen wie „sammle einen Roten und zwei Grüne“, das ist jetzt auch nicht das ungewöhnlichste der Welt. Dadurch wirkt der Pate erstmal recht gewöhnlich. Hat aber natürlich den Vorteil, dass die Spielregeln dann schnell verinnerlicht sind. Kennen wir ja alles schon. 😉

Was macht das Spiel, was wir noch nicht kennen?

Interessant ist, dass wir nicht nur überlegen sollen, was unsere Arbeiter einsammeln, sondern auch, wie es danach mit den Mehrheiten aussieht. Diese direkte Verzahnung von Worker Placement und Area Control habe ich so noch nicht gesehen.

Man könnte dadurch natürlich wie ein Verrückter nachdenken und grübeln, ich habe nach dem ersten Spiel allerdings das Gefühl, dass das letztendlich doch nicht so wahnsinnig wichtig ist: In der Endabrechnung bekam ich 10$ für Viertel, 10$ für farblich passende Aufträge, aber es lagen eh schon stolze 70$ im Koffer. Ich hätte wohl auch ohne Mehrheiten gewonnen.

Interessant ist ebenfalls, dass wir zum Rundenende unsere Handkarten brachial reduzieren müssen: Wer einfach nur hortet, seine Aufträge nicht erfüllt und sein Geld nicht in den Koffer rettet, wird hart abgestraft.

Es gilt also, den richtigen Rhythmus zu finden, Gelegenheiten beim Schopf zu packen. Einerseits müssen manche Felder schnell besetzt werden, weil sie richtig viel Ertrag bringen. Aber es müssen zwischendurch auch Aufträge erfüllt werden, damit die Handkarten nicht verloren gehen. Und ein paar Figuren sollte ich in der Hinterhand behalten, um am Ende noch Mehrheiten zu kippen. Durch die Effekte der Aufträge gelingt es hin und wieder, schöne Ketten loszutreten, sowas ist natürlich auch immer schön. Das sind schöne Überlegungen und Entscheidungen, das macht durchaus Spaß.

Kommen wir zum Gemecker:

Ein bisschen schade fand ich, dass das Thema, dieser großartige Film, überhaupt nicht durchkommt. Es findet sich eigentlich nur in den vier Kapiteln wieder, die tragen Namen wie Die Hochzeit oder der Türke. Aber es bleibt beim Namen, wir spielen weder eine Hochzeit noch einen Drogenkrieg. Auch wer wir sind, bleibt unklar: ich hätte gerne einen Namen wie Clemenza oder Sunny, vielleicht sogar eine passende Sonderregel gehabt.

Wenn ich ehrlich bin: Es ist nicht nur kein „Spiel zum Film“, bis auf das minimale gegenseitige Abknallen, das relativ folgenlos bleibt und nur rein zufällig passiert, fühlt sich der Pate nicht mal an wie ein Mafiaspiel. Natürlich bringen wir über den „Tabletalk“ ein bisschen Atmosphäre mit, es wäre schon fast beschämend, wenn im Laufe der Partie nicht irgendjemand am Tisch ein Angebot machen würde, „das man nicht ablehnen kann“. Und natürlich helfen die Miniaturen ein wenig. Aber was wir mechanisch machen, Figuren setzen, Karten nehmen, das ist nicht sonderlich thematisch.

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Miniaturen; Bildquelle: BGG

Ebenfalls kurios ist die Materialqualität.

Auf der einen Seite ist das Spiel völlig überproduziert: Die Geldkoffer sind kleine bedruckte Blechkisten, das muss in der Produktion richtig teuer gewesen sein. Die Arbeiter sind nicht nur detaillierte und hochwertige Plastikfiguren, sie sind auch noch allesamt unterschiedlich! Selbst der Rundenmarker und der Startspieler sind Miniaturen, Don Corleone höchstselbst und ein abgehackter Pferdekopf.

Auf der anderen Seite wurde bei den Illustrationen kräftig gespart. Die Ressourcenkarten fallen sehr, sehr minimalistisch und reduziert aus. Ich nehme an, dass das als Stilmittel gemeint ist, aber ein Spiel wie dieses hätte hier eher Ölgemälde vertragen als Cliparts. Auch die Auftragskarten sind entäuschend, da ist überall dasselbe Bild drauf.


Werde ich das kaufen?

Nein. Schade, aber der Pate ist einfach viel zu teuer. Das liegt an den Miniaturen und Blechkisten, die sind mir aber völlig egal. Sie haben spielerisch keinerlei Auswirkung, das könnten auch alles billige Holzpöppel sein, und ohne die Dinger könnte das Spiel für 20-30 Euro über die Theke wandern. So kostet es weit mehr, irgendwas um die 80 Euro? Im Leben nicht.

Der Pate ist ein schönes Spiel. Es funktioniert, es macht Spaß, es ist interessant und fordernd, passt alles. Es ist auf den ersten Blick nichts „kaputt“ daran. Auch wenn ich ein bisschen das Gefühl habe, das meiste davon schon irgendwo anders gesehen zu haben.

Aber wie bei Blood Rage – jetzt kommt doch ein Vergleich mit diesem Titel – gibt das eigentlich simple, schlanke und dann doch recht kurze Spiel eine derartige Materialschlacht eigentlich nicht her.

So landet es spielerisch in der Kategorie „I like“, als Gesamtpaket aber bei „nicht meins“.

 

5 Gedanken zu “Angespielt – Der Pate

  1. Jetzt hast du’s geschafft! Nach initialer (themenbedingter) Begeisterung, danach zunehmender Skespis hat deine Darstellung dem Spiel den Todesstoss versetzt. Dass man durch karten zur Entscheidung gezwungen wird, wen man über die Klippe springen lässt, wo das Mafiathema doch eigentlich nach temporären, zweckbezogenen Bündnissen/Rivalitäten schreit, war der letzte Tropfen auf den blutbesudelten Stein.

    Es geht eben zum Thema „wenn ich gross bin, möchte ich Gangster werden“ nach wie vor nichts über „Sons of Anarchy“.

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