
Da Yunhe, vor einigen Wochen im eigens gegründeten Verlag von Björn Müller-Mätzig erschienen, tarnt sich im Gewande eines friedlichen Eurogames: Wir basteln am großen Kaiserkanal, sorgen mit bunten Sechseckplättchen für steten Nachschub und Baufortschritt, für blühende Landschaften und so weiter… aber das ist alles nur Fassade, dahinter verbirgt sich ein hundsgemeines, destruktives Ärgerspiel.
- Spieleranzahl: 2-5 (gefühlt eher 3-4)
- Dauer: 30-90 (gefühlt eher 90)
- Alter: 10+
Wie funktioniert das?
Jeder von uns verwaltet einen kleinen Teilabschnitt des Spielfelds. Den befüllen wir nach und nach mit Kanalplättchen, die – im Gegensatz zu Kanälen der realen Welt – einen möglichst verschlungenen und kurvenreichen Weg bilden sollten. Denn alle paar Spielzüge kommt das kaiserliche Kontrollschiff vorbeigefahren und wirft mit Siegpunkten um sich, und je länger es bei uns verweilt, desto mehr Punkte erhalten wir. Durch fremde Gebiete dagegen soll es natürlich so schnell wie möglich durchreisen, und dabei nur Ödnis und Aufstände zu Gesicht bekommen.
Der Motor von da Yunhe sind Aktionskarten: Zehn verschiedene gibt es, meist eine Kombination aus verschieden vielen Nachschub- und Bauaktionen für den eigenen Abschnitt, gepaart mit je einem Extra: Negativplättchen abbauen, das Siegpunktschiff außerhalb der Zugreihenfolge fahren lassen oder überhaupt nicht, den Gegnern Punkte oder Kanäle verbrennen, Nachziehstapel mischen und dergleichen.
Verteilt werden sie mit einer Art Draft: Der aktuelle Startspieler nimmt alle in die Hand, sucht sich eine aus und reicht den Rest weiter. Dann sucht der nächste eine aus und reicht die verbliebenen acht weiter, bis jeder eine Karte hat. Danach werden die Karten reihum ausgeführt. Eine Besonderheit dabei ist, dass alle destruktiven Karten mit negativen Unruheplättchen bezahlt werden wollen und später dem Aggressor ebenfalls Minuspunkte einbringen werden. Das limitiert zum einen ihren Einsatz, zum anderen sorgt es dafür, dass beim Stören in der Regel beide Seiten leiden müssen.
Sind alle Aktionskarten abgehandelt, fährt das Kontrollschiff und vergibt Siegpunkte. Weil aber nicht damit zu rechnen ist, dass alle Spieler einen sauberen und eindeutigen Kanal vorzuweisen haben, folgt es einem nicht gerade unkomplizierten Algorithmus: Grundsätzlich will es von Nord nach Süd und zum Abschnitt des jeweils nächsten Spielers fahren. Es folgt aber dem errichteten Kanalverlauf mit all seinen Kurven. Verzweigen sich die Wege oder gibt es keine Wege, so darf der aktuelle Startspieler entscheiden, wohin es fährt. Oder so ähnlich. Ich bin mir nach zehnmaligem Lesen des entsprechenden Regelabschnitts und Anschauen des Erklärvideos immer noch nicht ganz sicher, ob wir es wirklich immer richtig bewegt haben. 😉
Am unteren Ende des Spielfelds angelangt, wendet das Schiff und fährt wieder zurück, und hat es die gesamte Strecke viermal zurückgelegt, endet das Spiel mit einer kleinen Bonuswertung, und der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.
Wie spielt sich das?
Gleich vorweg: Das Spielmaterial ist nicht ideal, teilweise so gar nicht. Ich bin aber etwas milder gestimmt, weil Björn das Spiel komplett im Alleingang gestemmt hat, und daher gewillt, über diverse Kleinigkeiten hinwegzusehen. Für ein angenehmeres Spielerlebnis kann ich nur empfehlen, die Konfettispielsteine durch geeignete Holzpöppel zu ersetzen, die etwas unglücklichen Aktionskarten mit Edding zu beschriften, und sich an das per QR-Code verlinkte Erklärvideo zu halten, anstatt zu versuchen, die teils verschwurbelten Formulierungen der Spielregel zu begreifen.
Und nochmal vorweg: Da Yunhe lebt von Häme und Schadenfreude. Das ist grundsätzlich in Ordnung, aber natürlich nicht jedermanns Sache. Wer nicht damit leben kann, immer mal wieder in unglückliche Situationen gebracht zu werden, wird hier natürlich wenig Freude haben.
Aber der Großteil des Materials ist wirklich schön, und mit Ärgern habe ich erst recht kein Problem, kommen wir also zum Spielerlebnis.
Zunächst fällt uns auf, dass der Aktionskartendraft für eine etwas arg hohe Downtime sorgt. Das ist ein wenig kurios, denn üblicherweise wird diese Mechanik gewählt, um Wartezeiten zu minimieren, indem alle gleichzeitig Karten anschauen, auswählen und weiterreichen dürfen. Hier schaut aber je ein Spieler alle Karten an, und die anderen sitzen rum. Und weil es doch einen Haufen Möglichkeiten und Abwägungen gibt, fällt diese Phase recht lange aus, und sie fühlt sich auch so an. Es hilft auch nicht gerade, dass die Symbolsprache eher undeutlich ausgefallen ist, und dass es nur eine einzige, leider nicht allzu übersichtliche Spielerübersicht gibt – daher der Edding. 😉
Dann dürfen wir endlich unsere Karten ausführen, und das geht dann auch recht fix. Nachschub ziehen, über unpassende Plättchen fluchen, ein wenig am Kanallabyrinth bauen, Legespiele machen ja eh immer Spaß, und der nächste ist dran. Die destruktiven Aktionen werden übrigens selten bis gar nicht gewählt, sie erscheinen uns grundsätzlich unattraktiv: zum einen kann man sie oft nicht bezahlen, zum anderen fallen sie meist mit größerer Wucht auf den Aggressor zurück. Einzig das Zerstören von fremden Kanalplättchen bereitet allen Spielern diebische Freude.
Das eigentliche Ärgern passiert dann vor allem in der nächsten Phase, über das Steuern des Siegpunkteschiffs.
Alle nicht festgelegten Kursänderungen liegen in der Hand des wechselnden Startspielers, und das ist nunmal nicht unbedingt derjenige, dessen Teilabschnitt gerade befahren wird. So eröffnen sich teils wunderbare Wege, den Baumeister zu bestrafen, indem ein ungeahnter Quereinstieg oder eine nicht gerade lukrative Abkürzung durch sein Gebiet gewählt werden. Hin und wieder schafft der Startspieler es gar, den Kanal zu verlassen und durch negative Unruheplättchen zu schippern. Und weil das Schiff insgesamt nur viermal das eigene Gebiet passiert, sind derartige Einbußen äußerst schmerzhaft.
Die Kontrolle über das Schiff birgt auch Verhandlungspotential – zumindest ansatzweise: Wenn du bei mir Umwege fährst statt gerade durch, mache ich das in der nächsten Runde bei deinem Gebiet genauso. Fahr beim gelben Spieler hier durch, der führt gerade, den müssen wir bremsen (und mir selbst bringt das dann nächste Runde satte Punkte).
Dass die Siegpunkte nicht gleichmäßig an alle Spieler, sondern zeitverzögert durch das Schiff verteilt werden, sorgt außerdem für eine äußerst sprunghafte Siegpunktleiste. Dadurch wird der führende Spieler verschleiert, und es erschwert, das richtige Ziel für Pöbeleien auszuwählen. Warum wählst du mich? Ich liege doch gar nicht vorne, ich wurde nur schon gewertet! Nach der Endwertung gab es bei uns aber keine allzu großen Ausreißer mehr, was für eine grundsätzlich funktionierende Balance spricht.
Wertung
Da Yunhe hat Einstiegshürden, und zwar nicht zu knapp. Außerdem ist es aufgrund des hohen Ärgerfaktors sicher nicht für jede Spielgruppe geeignet.Wer die Hürden nehmen kann und kein prinzipielles Problem mit dem Prinzip „Pöbeln und bepöbelt werden“ hat, findet hier aber ein durchaus spannendes und lustiges Spiel mit einigen schönen Ideen.