Ich bin heute so richtig in Schreibelaune. Vorsicht, voll viel Text! Content!
In diesem Artikel möchte ich zeigen, wie ich beim Spielebasteln vorgehe, vor allem, wie ich versuche, Spielkonzepte aufs Wesentliche zu reduzieren und liebgewonnene Elemente wegstreiche, bis nur noch das da ist, was ich für sinnvoll und nötig halte.
Das geschieht anhand meines aktuellen Projekts, dem Barbarenspiel. Schon erstaunlich, wie sich das über die paar Monate gewandelt hat. 😉
Phase 1 – Die grobe Idee
Diesmal war es eine thematische Idee, keine mechanische: Ich will ein Fantasyspiel, weil ich haufenweise Barbaren und Barbarinnen zeichnen wollte. Wie man in meinem About lesen kann, liebe ich Fantasy in allen Variationen, also lag das völlig nahe.
Die allererste Idee für die Form war eine Art Dungeon Manager: die Spieler stellen Heldengruppen zusammen und schicken sie in Abenteuer, sie ersetzen Verluste und werben sich gegenseitig Barbaren ab, um der reichste und mächtigste „Barbarenagent“ zu werden. Das klang so richtig innovativ und verfolgenswert. Ich bin schon ein Genie. Dann wurde mir aber leider kommuniziert, dass es das schon gibt. Als Worker Placement heißt das Lords of Waterdeep, als Drafting Kartenspiel Schatzjäger. Das gehört leider auch zum Spieldesign: Die allermeisten Ideen gibt es einfach schon. 😉
Na gut, dann bleibe ich bei einer Art Dungeon Crawler oder Abenteuerspiel: Die Spieler sollen einen Helden durch wilde Lande führen und Monster bekämpfen, Schätze finden und heldenhafte Taten vollbringen. Das gibt es zwar auch schon wie Sand am Meer, aber ich würde es natürlich grundlegend anders angehen.
Phase 2 – Das Genre sezieren

Die Helden starten irgendwo, latschen dann durch Korridore und Räume, da gibt es Fallen, Schätze und Monster, und am Ende, bei den dicken Schätzen, sitzt irgendein besonders mächtiges Bossmonster. Dazwischen wird fleißig rumgewürfelt.
Die Anordnung der Räume, die Regeln, nach denen gewürfelt wird, die Fähigkeiten der Helden, das unterscheidet sich natürlich von Spiel zu Spiel, aber eigentlich kommt das gefühlt immer aufs gleiche raus.
Die ungefähr einzige Entscheidung, die man dabei in jeder Runde treffen muss, ist: Laufen oder eine Spezialaktion, also hauen/zaubern/schießen?
Und ich persönlich finde das meistens reichlich trivial. Die Entscheidungen liegen auf der Hand: Steht nichts vor mir, laufe ich zweimal. Steht ein Monster ein paar Felder weg, laufe ich einmal und verhaue es dann. Steht es direkt vor mir, haue ich zweimal drauf rum. Olé olé, ich bin beeindruckt. Wer wie ich kein Rollenspieler ist und das daher nicht einfach aus Prinzip schon toll findet, fühlt sich etwas unterfordert. 😉
Außerdem haben diese Spiele gerne unfassbare Mengen an Regeln und Material. Siehe zum Beispiel hier:

Ich will diese Spiele nicht schlechtreden, aber ich habe das Gefühl, man könnte ein ähnlich forderndes Spielerlebnis auch mit wesentlich weniger Komponenten und Kladderadatsch haben. 😉
Mein erstes Ziel sollte also sein: ein Dungeon Crawler in einer kleinen Spielschachtel.
Falls es jemals verkauft würde, dann für 10-20, keine 70-100 Euro. Dafür bestimmt in 10mal größerer Auflage. Bestimmt!
Das zweite Ziel: gegeneinander, nicht kooperativ.
Das ist auch wieder nur persönlicher Geschmack. Ich bin kein großer Freund von kooperativen Spielen, da sitzt man gefühlt nur rum, und derjenige, der das Spiel am besten kennt, sagt allen anderen, was zu tun ist.
Phase 3: Erste konkrete Überlegungen
Ich habe mich relativ früh auf Würfel festgelegt, weil würfeln an sich einfach toll ist und zum Genre dazugehört. Mein Würfelsystem sollte einfach zu vermitteln sein und nicht allzu viel Regeltext benötigen, aber alles abdecken, was ich von einem solchen Spiel erwarte.
Das ist dabei rausgekommen:

Trifft dieser Barbar auf diese Untoten, muss er einen roten und einen blauen Würfel werfen. Den roten kann er wiederholen, falls ihm das Ergebnis nicht passt, seine Fähigkeit für gelbe Würfel bringt ihm hier nichts. Was nach dem Würfeln noch fehlt, um die geforderten zwei Fünfen zu erreichen, muss mit einer Art Lebenspunkte (bei mir heißt das Mut) bezahlt werden.
Simpel und direkt, und es erlaubt immer noch genug Variation: Ich kann genug unterschiedliche Barbaren machen, Würfelfarben und Wurfergebnisse für viele verschiedene Monster, Fallen und dergleichen variieren, ich kann Gegenstände einführen, die beim Würfeln helfen und als Schätze dienen. Alles da, was ich von so einem Spiel erwarte.
Die Würfelfarben kann ich außerdem problemlos mit den klassischen Fantasy-Attributen verbinden, die in jedem solchen Spiel auftauchen: Rot steht für Stärke/Kampfkraft, gelb für Geschick/Geschwindigkeit, und blau für Magie/Intelligenz. Ein Traum. Voll thematisch.
Falls es genau das System schon irgendwo geben sollte… Egal, jetzt ist es meins.
Phase 4 – Weg mit den Dimensionen!
Mein erster Ansatz für die Welt, in der sich die Barbaren bewegen, sah ungefähr so aus:

Die Spieler ziehen Aufgaben, die ihnen sagen, wo sie mit ihren Spielfiguren hinlaufen müssen, um irgendein mächtiges Monster umzubringen (1-8 sind finstere Höhlen) und wo sie ihre Belohnung erhalten (A-D sind Städte). Dazu gibt es natürlich jeweils noch eine hüsche Geschichte.
Auf den Feldern I bis IV passiert irgendwas festgelegtes, für die dunklen Felder dazwischen müssen zufällige Ereigniskarten gezogen werden. Davon sollte es vier Stapel geben, für die vier verschiedenen barbarische Länder.
Wie man sieht, habe ich – im Vergleich zur Skizze oben – die Korridore und Räume schmaler gemacht. Haut mich, ihr Fantasystrategen, aber ich sehe keinen wahnsinnig spektakulären taktischen Sinn dahinter, dass die Korridore und Räume aus mehreren Einzelfeldern bestehen: Wenn ich eine Ork-Begegnung gezogen habe, muss ich gegen den Ork kämpfen. Da muss man dann kein Tänzchen aufführen, im Sinne von Ich laufe, haue den Ork, der Ork bewegt sich um mich herum und haut mich, und von vorne, bis einer umfällt. Reicht doch, wenn man sich einfach nur prügelt, oder nicht? 😉
Hier war mir der Spielplan aber immer noch zu groß, und eigentlich sind auch die Abzweigungen überflüssig, wer geht denn anders als auf dem direkten Weg?
Also weg mit der zweiten Dimension, das geht noch einfacher, ich habe den Verlauf nun vollkommen linear gestaltet:

Die Barbaren laufen um die Wette von links nach rechts über die Leiste, in diesem Fall auf dem Weg zu einem finsteren Drachen. Wer als erster ganz rechts ist, bekommt die Belohnung. Dann wird das nächste Abenteuer aufgedeckt. Die hellgrauen Felder sind vorgefertigt, für die anderen werden zufällige Karten gezogen, und man darf sie erst betreten, wenn man die Aufgabe gelöst hat.
Phase 5 – Erste Tests
Das lineare Spiel war das erste, das ich dann tatsächlich ausgedruckt habe: 15 Barbaren, 12 Abenteuer, 60 Ereigniskarten, dazu ein paar Marker, Pöppel und Würfel. Das war mehr Material, als ich gerne hätte, aber passte locker noch in eine kleinformatige Schachtel.
Es folgten die ersten richtigen Praxistests: Mit der Freundin, beim Feierabendbier mit Kumpels, bei verschiedenen Spieletreffs…
Und es funktionierte, es war sogar einigermaßen lustig. Der kompetitive Charakter kam durch, die Spieler hackten sich so schnell wie möglich durch die Abenteuer und frohlockten, wenn die Mitspieler von Monstern zerrissen wurden und wieder von vorne anfangen mussten. Weitere Runden wurden gefordert, das ist immer ein gutes Zeichen.
Aber mir fiel auf, dass der Narrativ schwach war (sagt man das so?). Wirklich eine Geschichte zu erzählen, das gab das Spiel in der Form nicht her. Und mir ist bei den Testrunden aufgefallen, dass ein Großteil der Spieler sich ohnehin völlig auf den kompetitiven Teil konzentriert, der Text wird meist überflogen, oder liegt eh falschrum vor dem Spieler, so dass er ihn gar nicht lesen kann.
Phase 6 – Weg mit den Spielplänen!
Also weg mit der Geschichte. Statt dieser simplen linearen Erzählstränge wird jetzt alles über zufällig gezogene Ereigniskarten gespielt. Die Spieler legen bezwungene Ereigniskarten vor sich aus, und hat ein Spieler drei Karten aus einem Land überwunden, erregt er die Aufmerksamkeit eines mächtigen Monsters, das dort wohnt. Das bringt Ruhm, also Siegpunkte, aber eben auch Lebensgefahr.

Die Spielregel dazu findet ihr hier im Blog. Ich mache das natürlich nur, weil es mir Spaß macht, eigentlich ist es übertrieben, für einen halbfertigen Prototypen Illustrationen und halbwegs gelayoutete Spielregeln zu basteln. 😉
Diese Variante habe ich neben weiteren Tests bei Freunden auch zu zwei Spieleautorentreffen mitgenommen, einmal in Bochum, einmal in Köln. Bei solchen Treffen kann man seine Spiele kurz vorstellen und spielen, aber vor allem so richtig schön von den alten Hasen auseinander nehmen lassen.
Leider passierte das aber nicht so richtig. Ein paar Details wurden bemängelt, aber nichts am Spielprinzip an sich. Die fanden das alle toll, eine Runde Schulterklopfen für den kleinen Peter.
Ich war nicht überzeugt. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass die das in der Luft zerrissen hätten, wenn sie die Bilder nicht so lustig gefunden hätten. Wären das Karteikarten mit draufgekritzelten Würfeln gewesen, so sehen Prototypen eigentlich aus, ich glaube nicht, dass ihnen die reine Mechanik zugesagt hätte. Damit traue ich mich noch nicht zu einem Spieleverlag, denn die behalten meine Bilder vielleicht/wahrscheinlich (?) eh nicht.
Phase 7 – Weg mit den Markern!
Nach einem Chat mit jemandem, der in der Branche arbeitet, und nach meinem Anspielen von Drachen und Schafen war es mein nächstes Ziel, die Pappmarker für Gold und Mut loszuwerden. Die Siegpunktmarker hatte ich vorher schon gestrichen.Einfach, weil die Dinger im Falle einer Produktion Geld kosten, wegen der speziellen Stanzformen sogar mehr als die Karten.
Das ist wieder so ein Murder your Darlings, denn ich hatte die Dinger liebevoll ausgeschnibbelt und geklebt. Jetzt sind sie auf der Rückseite der Karten untergebracht:

Damit besteht das Spiel nur noch aus 120 Karten und 6 Würfeln. Es wird langsam!
Phase 8 – Mehr Interaktion, mehr Entscheidungen!
Mir gefiel vor allem die Spielweise mit Handkarten nicht so recht. Jeder spielt vor sich hin, und irgendwann hat jemand gewonnen, wie das halt so ist, wenn jeder eigene Karten hat. Auch nachdem ich interaktive Karten eingeführt hatte, mit denen die Spieler sich gegenseitig ärgern können, das reichte mir einfach nicht aus.
Daher habe ich das Spielprinzip nochmal komplett umgestellt.
Jetzt liegen die Aufgaben in der Mitte aus, in jeder Runde eine mehr, als es Spieler gibt. Jeder muss der Reihe eine auswählen und versuchen.

Nicht nur, das der reihum wechselnde Startspieler nun die beste Auswahl hat und attraktive Karten mopsen kann, es kommt noch besser: Gegenstände wie die schicken Schuhe und Siegpunktmonster wie den robusten Riesen kann man dabei einfach umdrehen und sich nehmen, statt sie zu bezahlen oder wegzuwürfeln. Damit hat man zwar den Gegenstand bzw Ruhm nicht, aber man hat die Karten denjenigen Mitspielern verweigert, die vielleicht Interesse daran hatten.
Bleiben dem letzten Spieler nur noch zwei Kämpfe übrig, muss er wohl oder übel ran, auf diese Weise kann man seine Mitspieler ebenfalls wunderbar ärgern und manchmal gar ihre Barbaren umbringen.
Dadurch, dass man die Bossmonster einfach umdrehen kann (das bringt Mut/Lebenspunkte), treffen die Spieler außerdem eine wichtige Entscheidung: Bin ich schon stark genug für den Siegpunkt, oder nehme ich den Lebenspunkt mit? Dadurch kommt es zu einer Art Wettrüsten, und sobald ein Spieler anfängt, Ruhm zu sammeln, müssen die anderen wohl oder übel hinterher. Dieses Spielgefühl gefällt mir sehr gut.
Die Regeln habe ich hier hinterlegt. Wer möchte, kann gerne mal reinschnuppern. 🙂
Jetzt kommt wieder eine ausgedehnte Testphase. Die ersten zehn Tests sind schon durch und ich bin mit meinen Barbaren nun wesentlich glücklicher als je zuvor, aber dieser Post wird vermutlich noch wesentlich länger werden. 😉
Wieder ein super Artikel. Und eine gute Spielidee. Aber Autoren die sich von Grafiken blenden lassen *Köpf-Schüttel* Ich habe es auch schon erlebt, dass auf solchen Autorentreffen nicht kritisiert wurde, weil man dann nicht diskutieren muss und schneller zum eigenen Spiel kommt. Zum Glück erst ein einziges Mal.
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Das muss nicht unbedingt so gewesen sein, aber es fühlte sich halt ein bisschen so an.
Vielleicht bin ich auch meinen Spielideen gegenüber etwas zu kritisch. Aber zum Glück bin ich das, denn die neue Variante ist wesentlich besser, sie spielt sich flüssiger, man hat mehr Optionen, weniger Downtime, ist fieser zueinander… So muss das sein. 😉
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Das ist doch super zu hören. Werde mir jetzt mal die Regeln durchlesen und hoffe du schreibst weiter über dein Autorendasein und deine Erlebnisse mit deinem Spiel.
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