Spielinhalte, die bei mir Blähungen verursachen

Das Thema ist mir in letzter Zeit öfters untergekommen: Die Jungs von Dice Tower haben ein Video gemacht, beim deutschen „Ableger“ davon (Würfelbox) findet sich auch eine Version, oder hier im Blog Brettspieltipps. Ich befinde mich also in guter Gesellschaft, und in dieser Tradition will auch ich eine kurze Liste verfassen.

Ich beschränke mich aber auf eine Top 5. 😉


5. Das Zwergenprinzip – „Thematische“ Regeln

„Du bist ein Zwerg, du hast kurze Beine, also bist du langsam. Deal with it.“

Solche oder ähnliche Regeln mögen hin und wieder ihre Berechtigung haben, und manchmal gibt es auch völlig ausgewogene Kompensation dafür („dafür hältst du mehr aus, und das ist wirklich wichtig“)… aber noch wesentlich öfter habe ich in solchen Spielen den Eindruck, dass die eine oder andere Rolle einen Nachteil bekommen hat, der wirklich entscheidende Spielphasen betrifft (etwa Bewegung in einem Spiel, in dem Bewegung verdammt wichtig ist), und der Ausgleich dafür fällt kaum ins Gewicht.

Wenn jeder vier Felder laufen darf, dann lass verdammt-noch-mal auch den blöden Zwerg vier Felder laufen. Meine Fresse! Tolkien wird sich schon nicht im Grabe umdrehen. 😉

Und es fällt mir immer wieder auf, dass Spiele Regeln enthalten, die außer „das ist thematisch“ keine Daseinsberechtigung haben. Die das Spiel nicht voranbringen, und im Zweifelsfall nur irgendwann irgendwem mal kurz ans Bein pinkeln. Und dafür mussten wir diese Regel lesen und uns das merken? Lasst das doch einfach weg.


4. Eine Flut an Spielmaterial

Es mag daran liegen, dass ich als Mathematiker ausgebildet wurde, und meine Zunft gerne alles wegstreicht, was es nicht unbedingt braucht: Wenn ich eine Spielschachtel aufmache, und mir kullern drölf Millionen verschiedene Spielmarker entgegen, zig Karten, Sonderkarten und was weiss ich, dann ist die erste Frage, die ich mir stelle. „Braucht es das wirklich?“

Und oft genug werde ich fündig.

Ich soll Gold-Spielsteine gegen Holz-Spielsteine tauschen, um einen Kasernen-Spielstein zu bauen, damit ich einen Bogenschützen-Spielstein bekomme? Warum druckt ihr nicht einfach den Preis für einen Bogenschützen in Gold auf eine Karte, und schmeißt Holz- und Kasernenspielsteine raus?

Ich soll diese fünf verschiedenen Kartenstapel andauernd neu mischen und verteilen, weil in jedem Stapel zwei verschiedene Karten drin sind? Ersetz das doch durch Würfel, die muss man nicht mischen.

Ich verstehe, dass ausuferndes Spielmaterial zur „Immersion“ beitragen kann, aber mich persönlich nervt es nur.

Alleine der Sortieraufwand, und die zusätzliche Zeit beim Spielaufbau… Manche Spieler kriegen feuchte Augen, wenn sie all das glitzernde Material in die Finger bekommen, mich schreckt es nur ab.


3. Ganze Züge/Runden verlieren

„Hier, friss diese Karte, du setzt aus.“ – „Ich setze auch einen Arbeiter hier hin, ich bin vor dir dran, für dich bleibt nichts übrig. Hast wohl deine Runde verschwendet.“ – „Du hast die niedrigste Karte geboten, damit hast du in diesem Zug keine Aktion.“ – „Du hast kein Geld, also darfst du diese Runde nichts machen.“

Ein fürchterliches Gefühl. Ich will, sobald ich am Zug bin, gefälligst das Gefühl haben, mitzuspielen. Und zwar wirklich im Sinne von „ich mache Fortschritte auf dem Weg zum Spielziel“.

Gerade bei Spielen, deren Züge eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, macht mich sowas wahnsinnig.

„Ich habe euch gerade zwanzig Minuten zugeschaut, darf nix machen, und soll nochmal zwanzig Minuten warten?“


2. Automatisierte Spiele

Du bekommst deine Kartenhand und spielst sie halt runter. Klar gibt es ein paar Detailentscheidungen (Pik oder Kreuz zuerst?), und ein bisschen Glück gibt es auch, aber eigentlich könnte das auch ein Roboter für dich übernehmen, oder – in einem kooperativen Spiel – ein Mitspieler.

Darunter fallen für mich Spiele wie Doppelkopf (die Siegstrategie ist völlig klar), aber zum Beispiel auch Spiele wie Descent. Ich verstehe nicht, wie es jemandem Spaß machen kann, weitestgehend simple kurzfristige Entscheidungen zu treffen, ein paar Felder zu laufen und dann zwei Würfel zu werfen.

Spiele, die ich mag, geben mir ein Gefühl von Einfluss und Kontrolle, ich will überzeugt sein, dass meine Entscheidung wirklich wichtig ist und nicht von vorneherein auf der Hand liegt. Ich will mich clever fühlen dürfen. Dafür muss es erstmal Entscheidungsmöglichkeiten geben, im Idealfall unterschiedliche Siegstrategien, und eben in einer Art, dass man mich nicht durch einen simplen Algorithmus ersetzen könnte.

Das ist ein bisschen allgemeiner als „ich fühle mich gespielt“, eher „warum sitze ich überhaupt hier, mein Zug liegt doch eh auf der Hand?“.


1. Frühes Nicht-mehr-Mitspielen

Ich kann Spiele nicht ab, die eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen und die gleichzeitig Spieler entweder eliminieren können oder – fast noch schlimmer – zur Untätigkeit oder zum „Königsmacher“ verdammen.

Bei jedem Spiel, das länger als 15 Minuten dauert, gehört es für mich zum guten Ton, dass man, insofern man das Spiel verstanden hat und keine völlige Grütze zusammenspielt, wenigstens das Gefühl hat, noch gewinnen zu können.

Früh rausfliegen, und den anderen beim Weiterspielen zuschauen – nicht meine Vorstellung von Spaß. „Werwolf“ ist das klassische Beispiel dafür, völlig absurdes Spielprinzip: „Hey du, du hast noch genau gar nichts gemacht, und jetzt bist du halt raus. Danke fürs Mitspielen. Wir sehen uns in anderthalb Stunden.“

Dasselbe gilt aber auch für viele andere Spiele, in denen man zwar nicht direkt raus ist, aber eben schon früh keinerlei Chance mehr hat, zu gewinnen. Als Beispiel fällt mir etwa das uralte Citadel-Brettspiel „Warrior Knights“ ein: Wer in der ersten Runde glücklich würfelt, fängt schon an, Siegespunkte aus einem begrenzten Pool zu fressen. Und in der nächsten Runde kriegt er für sein anfängliches Glück direkt nochmal Punkte. Wer zwei Runden in Folge Pech (oder kein Glück) hat, kann eigentlich schon einpacken, den Vorsprung kann er eh nicht mehr einholen. Danke, tolles Spiel. 😉

Das wird auch gerne mit „rich get richer“ beschrieben, und ist – wie so oft – ein zweischneidiges Schwert, denn natürlich sollte der bessere Spieler auch bessere Belohnungen bekommen. Aber wenn es wirklich nur auf einen Anfangsfehler oder gar auf pures Glück hinausläuft… warum genau spielen wir dann weiter?

6 Gedanken zu “Spielinhalte, die bei mir Blähungen verursachen

  1. Die Liste gefällt mir.
    @Peter: Du sprichst von Descent. 1st oder 2nd Edition? Ich habe zwar noch nie einen Helden gespielt aber als Overlord hatte ich nie das Gefühl, dass es automatisiert ablaufen würde.

    Gefällt 1 Person

    • Beide Editionen. Mir reicht der spielinhalt nicht, ich habe ständig das Gefühl, ich könnte – ohne dass es einen Unterschied macht – aufstehen und gehen, und jemand anderes spielt für mich weiter. Oder ich spiele alle drei Helden alleine. Das Spiel ist thematisch großartig, aber die Handlungsoptionen sind mir zu offensichtlich und unkompliziert.
      Ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Ich finde das Spiel nicht schlecht, es fesselt mich nur überhaupt nicht. 😉

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      • Ja das verstehe ich. Ein Brainburner ist es keiner 🙂 Die meisten strategischen Entscheidungen trifft man vor Beginn des Abenteuers. Dann muss man (meistens) mit dem auskommen was man hat. Das einer alle Helden kontrolliert würde bei uns nicht gehen. Wir haben mal zu zweit gespielt und derjenige der die Helden kontrolliert hat, hat andauernd auf einige wichtige Fähigkeiten vergessen. Hat mich aber eher nicht gestört 😉

        Gefällt 1 Person

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